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Frank Böckelmann: ZUM TOD GÜNTER MASCHKES

Als ich vor wenigen Stunden erfuhr, dass Freund Maschke gestorben sei, machte mich das fassungslos – im wörtlichen Sinn. Denn Maschkino – mit diesem Namen unterzeichnete er seine Briefe – pflegte seit Längerem seinen baldigen Zusammenbruch und häufig auch sein Lebensende anzukündigen, regelmäßig in Gesprächen und Botschaften nach dem Tod seiner Frau Sigrid im Jahr 2014. So war ich daran gewöhnt, dass er doch nicht starb. In letzter Zeit mehrten sich sogar, dicht neben Hilferufen („Ansonsten geht es mir SEHR schlecht – an mehreren Fronten, und Du solltest ein bißchen netter zu mir sein“), Äußerungen von Zuversicht bei der Arbeit an seinem Carl-Schmitt-Buch. Und nun soll er wirklich tot sein?


Daran aber ist nicht zu zweifeln, wie irreal es mir auch erscheint. Günter Maschke verbrachte sein Leben in kreatürlicher und intellektueller Begeisterung und Verzweiflung. Distanz zu denen, die seine Wege kreuzten, und zu den Objekten seiner Leidenschaft – Carl Schmitt, Völkerrecht, Kriegsrecht als Menschenrecht, die „Verfassung, die wir nicht haben“, das allumfassende deutsche Elend, die spanisch-lateinamerikanische Welt – fehlte ihm völlig. Deswegen wurde er geliebt, auch von seinen Gegnern, wie ich vermute. Enthusiastisch teilte er meine Auffassung, dass der Begriff „konservativ“ gegenstandslos, somit nichtssagend, geworden sei. Um die Lage zu kennzeichnen, schreckte er vor keinem Verdammungsurteil zurück, um seine eigenen Meriten im Thesenstreit hervorzuheben, vor keiner Selbsterniedrigung und Selbstverherrlichung. Deswegen war es eine Tortur – Pardon, Maschkino –, Deinen Monologen ausgesetzt zu sein. Und dennoch beschwor man sie immer wieder herauf. Wehe dem, der in Deiner Gegenwart bei der Einschätzung politischer Kräfteverhältnisse ein Fünkchen strategischer Hoffnung glimmen ließ! Er wurde rücksichtslos der Ahnungslosigkeit und Unterwürfigkeit gescholten.


So fanden sich im Frankfurter Maschke-Zirkel mit Vorliebe die Schwarzmaler ein. In seiner Rödelheimer Wohnung kam es regelmäßig – etwa in den Tagen der Buchmesse – zum Überbietungswettbewerb der glühend Hoffnungslosen. Dieser Hang zur Rigorosität hatte bei Maschke seit jeher eine existentielle Note. Ich lernte ihn 1964 bei einer Missetat unserer Subversiven Aktion anlässlich des Deutschen Katholikentags in Stuttgart kennen (und über ihn die Familie Ensslin). Des Nachts neben mir zum Tatort schreitend, erörterte er keineswegs Methodenfragen, sondern fragte Buchtitel ab – ob ich denn diesen oder jenen Autor kennen würde und was ich von seinen Theorien hielte. Das Weitere ist bekannt und wird nunmehr bei Freund und Feind aufs Neue nacherzählt werden: Tübingen, Ernst Bloch, Fahnenflucht, Wien, Kuba, Heberto Padilla, Gefängnis, Abkehr von der Linken, Carl Schmitt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Die Verschwörung der Flakhelfer“ und andere grandiose Streiche der Zeitgeister-Austreibung (allesamt bei KAROLINGER erschienen), verlegerische Exerzitien, tragische Frauengeschichten, Dozententätigkeit in der peruanischen Marineschule (mit der Pistole am Gürtel), Schulterschluss mit anderen Granden im Carl-Schmitt-Olymp und Endkampf gegen die Launen vom Diabetes („General Zucker“).


Was ich sagen wollte: Maschkino, Du bist allzeit ein Kind geblieben, das geistige, politische Unerschrockenheit bewies, um die Dir zustehende Zuneigung zu erobern. Du kanntest nur zwei Themen, die große Lage und Dich selbst. Du warst in allem, was Du tatest, unausstehlich. Um der Verzweiflung standzuhalten, gab es für Dich nur den Weg der kompromisslosen Erkenntnis. Ich liebe Dich.




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