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»Ich verstehe mich als Aufklärer« — Andreas Vonderach im Gespräch

Galt man früher als Rassist, wenn man Menschen aufgrund ihrer Andersartigkeit herabwürdigte, bekommt man heute diesen Stempel aufgedrückt, wenn man nur die Existenz unterschiedlicher Rassen feststellt, ohne im Mindesten zu diskriminieren. Vom Standpunkt der Wissenschaft aus ist das nicht haltbar.



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Herr Vonderach, in Ihrem neuen Buch zeichnen Sie „Die Dekonstruktion der Rasse“ nach. Was meinen Sie, wenn Sie von „Rasse“ sprechen?

Es gibt verschiedene Definitionen. Ich halte die für die beste, die unter einer Rasse einen Komplex miteinander korrelierter Merkmale versteht. Rassen sind weder klar voneinander abgegrenzt, noch in sich homogen oder unveränderlich, wie die Gegner dem Begriff immer wieder unterstellen, dafür aber real.

Mit diesem Thema betreten Sie vermintes Gelände. Warum haben Sie sich entschieden, trotzdem darüber zu schreiben?

Das entscheidende Argument der Rassen-Gegner ist das so genannte Variabilitätsargument. Das beinhaltet, dass die Variabilität innerhalb der Rassen wesentlich größer als die zwischen ihnen sei. Diese These geht auf zwei Aufsätze von Richard Lewontin im Jahr 1972 und von Alan R. Templeton im Jahr 1999 zurück. Der Grund für mich, das Buch zu schreiben, war der, dass es inzwischen von fachlicher Seite eine umfassende Kritik an dieser Argumentation beziehungsweise den ihr zugrundeliegenden statistischen Verfahren gibt. Diese Kritik ist aber in vielen verstreuten Aufsätzen veröffentlicht worden. Ich möchte dem interessierten Leser die neuen Erkenntnisse mit meinem Buch leichter zugänglich machen.

Das „Variabilitätsargument“ wird auch in der so genannten Jenaer Erklärung des Max-Planck-Instituts ins Feld geführt, um zu sagen: „Rassen gibt es nicht“. Was ist falsch daran?

Templeton setzte 1999 die willkürliche Grenze von 25 Prozent für Rassenunterschiede. Das heißt, wenn mindestens 25 Prozent der Gesamtvariabilität aller Individuen zwischen verschiedenen Populationen besteht und nicht innerhalb von diesen, handelt es sich um Rassen. Lewontin und Templeton nehmen dabei einen Mittelwert der Unterschiede zwischen den menschlichen Großrassen und einigen anderen Populationen. Tatsächlich bestehen aber zwischen vielen Populationen verschiedener Rassen Unterschiede, die größer als 25 Prozent sind: So besteht etwa zwischen afrikanischen Mbuti-Pygmäen und neuguineischen Papua ein Unterschied von 45,7 Prozent. Auch bei verschiedenen Merkmalsarten erreicht der Mensch Werte über 25 Prozent, so bei der mitochondrialen DNS von bis zu 46 Prozent. Mit einem Wert von 10–15 Prozent hat der Mensch auch – anders, als von Templeton 1999 behauptet – keine Sonderstellung innerhalb der Säugetiere inne, deren Werte zwischen 5 und 20 Prozent liegen.

Das müssen Sie genauer erklären.

Das Problem bei dem von Templeton angewandten Verfahren besteht darin, dass der errechnete Wert von der Größe der verglichenen Allelfrequenzen abhängig ist. Das heißt, er kann gar nicht frei zwischen 0 und 100 variieren und produziert schon aufgrund seiner mathematischen Struktur relativ niedrige Werte. Die Genetiker Jeffrey C. Long und Rick A. Kittles errechneten mit dem von Templeton verwandten Verfahren bei einem weltweiten Vergleich von acht genetischen Merkmalen von acht menschlichen Populationen einen Wert von 11,9 Prozent Variabilität zwischen den Populationen. Soweit in Übereinstimmung mit Lewontin und Templeton.

Dann aber führten sie die gleiche Berechnung noch mit einer neunten Gruppe von Schimpansen, also mit einer anderen Art, durch. Der nun errechnete Wert war 18,3 Prozent. Das heißt, nach den Kriterien von Templeton besteht zwischen Menschen und Schimpansen nicht einmal ein Rassenunterschied, geschweige denn ein Artunterschied! Das verwandte Verfahren (der Fixationsindex von Sewall Wright) scheitert dramatisch an der Aufgabe, Rassen- oder gar Art-Unterschiede zu entdecken. Ein anderer Nachteil des angewandten Verfahrens besteht darin, dass es die Korrelationen zwischen den Merkmalen nicht berücksichtigt. Berücksichtigt man diese, dann kann man heute jeden Menschen mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit seiner eigenen Population zuordnen.

Sie sagen, Europäer, Asiaten und Afrikaner unterscheiden sich nicht nur in der Hautfarbe...

Natürlich kommen für Rassenunterschiede nur solche Merkmale in Betracht, die genetisch bedingt sind. Das sind vor allem die DNS-Merkmale und die serologischen Merkmale – Blutgruppen, aber auch die sichtbaren morphologischen Merkmale und die der Psyche. Diese haben eine beträchtliche Heritabilität (Erblichkeit) von in der Regel etwa 50 Prozent und mehr, wie man aus Zwillings- und Adoptionsstudien weiß. Das heißt, die Variabilität der Merkmale in der Bevölkerung ist zu 50 Prozent genetisch bedingt. Die Korrelation psychologischer Merkmale zwischen Adoptivkindern und -eltern geht gegen Null, während die zu den biologischen Eltern erheblich ist. Man kennt heute auch beträchtliche Unterschiede zwischen den menschlichen Rassen bei Genen, die das Verhalten beeinflussen, wie zum Beispiel Ängstlichkeit, Neugier oder auch Aggressivität. In meinem Buch gibt es auch ein Kapitel über die psychologischen Rassenunterschiede.

Gibt es weitere Unterschiede?

Es gibt zum Beispiel viele medizinisch relevante Rassenunterschiede: Es gibt Unterschiede beim Fettstoffwechsel, bei der Nierenfunktion, bei der Reaktion auf Mittel zur Weitung der Blutgefäße, bei der geschlechtlichen Reifung, der Verstoffwechselung von Medikamenten und bei Nervenkrankheiten. Eine bestimmte Genkombination, die bei 40 Prozent der Schwarzen vorkommt, erhöht das Risiko eines Herzschlags um das Zehnfache. Schwarze erkranken auch häufiger an Brust- oder Prostatakrebs als Weiße. Viele in erster Linie für Europäer entwickelte Medikamente sind bei Schwarzen oder Asiaten unwirksam oder unverträglich. 2005 hat die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) das erste Mal ein Medikament speziell für Schwarze zugelassen.

Und trotzdem gerät man heute schnell unter Rassismus-Verdacht, wenn man das Wort „Rasse“ auch nur verwendet – was ist passiert?

Die Tendenz, den Rassenbegriff abzuschaffen, gab es in der amerikanischen Anthropologie – die vor allem eine Kulturanthropologie ist – schon nach dem Zweiten Weltkrieg. Es waren vor allem Schüler des linken, aus Deutschland stammenden Anthropologen Franz Boas, die sich dafür stark machten. Boas hatte in der amerikanischen Anthropologie systematisch alle wichtigen Professuren mit seinen Schülern besetzt. Die Tabuisierung des Rassenbegriffs hat sich dann mit dem „Variabilitätsargument“ seit den 1970er Jahren in Amerika und den anderen westlichen Ländern auch in der biologischen Anthropologie durchgesetzt. Das „Rassen-gibt-es-nicht“-Konzept bekam schließlich seit den 1990er Jahren durch den philosophischen Konstruktivismus, der in Begriffen lediglich soziale Konstrukte ohne Realitätsgehalt sieht, enormen Auftrieb. Das hat letztlich wenig mit Wissenschaft und viel mit gesellschaftspolitischen Machtkämpfen an den Universitäten zu tun.

Hat man also die Wissenschaft auf dem Altar der Ideologie geopfert?

Sowohl die wissenschaftliche Verstehbarkeit der Welt als auch das Ideal der universalen Gleichheit und deren gesellschaftliche Machbarkeit sind Paradigmen, die aus der Aufklärung stammen. Beide stehen aber letztlich in Widerspruch zueinander, denn die Menschen sind von Natur aus höchst ungleich. Mit der Boas-Anthropologie hat sich die Linke für die Gleichheit entschieden und auf das Ideal der Wissenschaft verzichtet. Sie ist seither darauf angewiesen, alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, die auf die Realität von biologischen Unterschieden zwischen Rassen, Völkern, sozialen Gruppen und Geschlechtern verweisen, als rassistisch, biologistisch und sexistisch zu denunzieren und zu unterdrücken. Ich verstehe mich als Aufklärer im wissenschaftlichem Sinne.

Offenbar macht die Forschung zu diesem Thema historisch bedingt Angst.

Es gibt ohne Zweifel eine linke Angst nicht nur vor dem „Rassismus“, sondern vor der biologischen Anthropologie überhaupt – zum Beispiel auch vor Geschlechtsunterschieden oder der Erblichkeit der Intelligenz. Karlheinz Weißmann spricht vom linken Anthropologieverbot. Der „Antirassismus“ wird immer mehr zum Kerndogma und Hauptanliegen der Linken, dem zuliebe sie alle anderen traditionellen linken Anliegen aufzugeben bereit ist, zum Beispiel die Emanzipation der Frau im Zusammenhang mit dem Islam.

Das klingt nach einem typisch westlichen Phänomen.

In den nicht-westlichen Ländern, insbesondere in Russland und China, sprechen die Anthropologen nach wie vor von „Rassen“.

Mit Blick auf die von Ihnen referierten Forschungserkenntnisse drängt sich die Frage auf, was es für die Zukunft Europas bedeutet, wenn wir Millionen Einwanderer aufnehmen. Wird das unsere Gesellschaft grundlegend verändern?

Die Frage geht weit über den Inhalt meines Buches hinaus.

Herr Vonderach, vielen Dank für das Gespräch.




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Über unseren Gesprächspartner:

Andreas Vonderach, geboren 1964, studierte Geschichte, Geographie und Politikwissenschaft in Oldenburg und biologische Anthropologie in Mainz und Ulm. Er ist ein Schüler von Ilse Schwidetzky und Friedrich W. Rösing. Vonderach publizierte Bücher und Aufsätze zu anthropologischen, historischen und volkskundlichen Themen. Buchveröffentlichungen unter anderem „Anthropologie Europas“ (2. Aufl. 2015), „Sozialbiologie“ (2. Aufl. 2017), „Gab es Germanen?“ (2017), „Die deutschen Regionalcharaktere“ (2. Aufl. 2019), und „Anthropologie des früheren Ostdeutschland (vor 1945)“ (2019).



 

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