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Martin Richter: DER DEUTSCHE KLANG – ZENTRALES ELEMENT DER DEUTSCHEN KULTUR

  • 10. Juli
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 3. Sept.

Die Frage, was Deutsche Kultur ist, muss der rechten Verantwortungsgemeinschaft naturgemäß eine Herzensangelegenheit sein. Sie ist sowohl begrifflicher Ausgangspunkt als auch Diskussionsgegenstand zum Zweck inhaltlicher Grenzziehung und Ausdehnung. Was ist Teil Deutscher Kultur, wie weit reicht sie, wodurch zeichnet sie sich aus – ergo: Welche Künstler und Kunstwerke sind spezifisch deutsch?


Exportschlager Deutscher Klang: Ludwig van Beethoven auf einem Holzschnitt von Koizumi Kishio, 1919
Exportschlager Deutscher Klang: Ludwig van Beethoven auf einem Holzschnitt von Koizumi Kishio, 1919

Zur Beantwortung aufgerufen hatte der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich auf seinem Weg in den Kulturausschuss. Der „Kulturkampf von rechts“, den er im Dienst des „Ewigen, Guten und Schönen“ fordert, heischt geradezu nach einer Klärung. Sie führt uns Deutsche nicht zuletzt auch zu einer tieferen Erkenntnis unseres Selbst. Status Quo ist, dass Deutsche Kultur einerseits in weiten Teilen der Welt ungebrochen als Gütesiegel edler Schaffenskraft gilt, andererseits gerade hier, im Ursprungsland, von nicht wenigen unserer Landsleute mit demonstrativer Verachtung überzogen wird. Da sie zwangsläufig, historisch und systematisch nämlich, auch Ausweis unserer eigenen Identität ist, war und ist es der Linken ein persönliches Bedürfnis, unsere Kultur qua Primitivisierung und Verfremdung bis zur Unkenntlichkeit herabzuwürdigen.


Beethoven, der unangefochtene Herrscher


Zunächst liegt auf der Hand, dass Kulturzweige wie Literatur, Philosophie und Vokalmusik – Goethe, Schiller und Lessing, Kant, Schopenhauer und Hegel oder Bach, Händel und Wagner – getragen werden von unserer Muttersprache, dass es sich hier also vor allem um deutschsprachige Kultur handelt. Bereits an diesem Punkt zeigt sich allerdings, dass daneben auch Herkunft und Werdegang relevant sind. Schließlich machen in italienischer oder englischer Sprache verfasste Lieder und Opern einen deutschen Komponisten ja nicht per se zum Römer oder Briten. Deutsche Kultur ist dementsprechend auch ein Produkt aus Deutschland. Dabei spielt es keine Rolle, ob aus dem heutigen oder einem früheren deutschen Territorialbereich. Niemand, der noch ganz bei Trost ist, würde Immanuel Kant ernsthaft als „russischen“ Philosophen bezeichnen. Das ist zwar bereits dadurch evident, dass die Urgewalt seiner Philosophie unter anderem auf ihrer terminologischen Wucht basiert; aber Preußen ist eben auch nicht Russland. Kant wurde nicht in Kaliningrad, sondern in Königsberg geboren.


Gerade diejenige Persönlichkeit, die ihren Kulturzweig wohl so stark dominiert wie keine andere, weist über diese selbstverständlichen, wenn auch bedeutenden Faktoren (Sprache, Herkunft) hinaus: Ludwig van Beethoven aus Bonn. Schließlich ist es ja gerade die Instrumentalmusik, deren unangefochtener Herrscher er wurde. Welche werkspezifischen Faktoren sind denkbar, die etwa seine Klaviersonaten als typisch deutsch kennzeichnen? Sind energetische Strahlkraft und meditative Atmosphäre dieser 32 Kunstwerke vielleicht Resultate eines Denkens, dessen Träger seinen peniblen Ordnungssinn, die fanatische Präzision und seine intellektuelle Weite auch aus einer bestimmten Mentalität sog? Aus einer Mentalität, die sich das Deutsche Volk vorher aneignete und deren exemplarischer Vertreter Beethoven war? Ist es a priori verwegen, kunstsystematische Prinzipien damit in Verbindung zu bringen? Oder gibt es tatsächlich einen Deutschen Klang, so wie es einen typisch französischen Sound geben mag? In medias res: Will jemand ernsthaft bestreiten, dass sich durch das Oeuvre von Chopin, Ravel und Debussy eine in summa gänzlich andere Tonalität zieht als durch Wagner, Beethoven und Brahms? Wenn jene frankophilen Esprit versprühen, ja gar von ihm beseelt sind, dürfen wir dann nicht mit Fug und Recht signifikante Übereinstimmungen in den Werken der Letztgenannten erwägen?

 

Vertonte Philosophie, fließende Träume


Es bedarf zwar einer vom Druck der politischen Korrektheit befreiten Phantasie, ist aber eben keine Spinnerei, zu fragen, ob die historisch-klanglichen Unterschiede diesseits und jenseits des Rheins ihre Ursachen nicht auch in einer grundsätzlichen Verschiedenartigkeit unserer Völker haben.

Der Schnappatmung Angepasster ist hier gelassen mit der Feststellung zu begegnen, dass diese Unterschiede nicht nur zu akzeptieren, sondern sogar begrüßenswert sind und einen erheblichen Reiz unseres Kontinents ausmachen. Bei aller Verschiedenartigkeit im Detail kommt hinzu, dass sowohl der Franzose an Deutscher Klassik und Romantik als auch der Deutsche am französischen Weg in die musikalische Moderne ein natürliches Wohlgefallen zu entwickeln vermag, ungezwungen und unmittelbar. Während die Klassik deutscher Prägung tatsächlich oft vertonte Philosophie ist – blockartig geformt, großflächig angelegt, in strikte Logik gegossen –, malt das französische Piano Bilder, die sich in stetem Fluss befinden, von Träumen beflügelt und in diese mündend. Der Teufel hat viele Gestalten. Treffender, aufreibender, erregender, schlicht: besser als in Beethovens Opus 111, seiner letzten Klaviersonate, oder durch Maurice Ravels „Gaspard de la nuit“ lässt sich der Dämon allerdings wohl kaum in Schallwellen mauern.


Unzeitgemäße Fragen


Die genaue Untersuchung eines Deutschen Klangs verläuft mindestens zweigleisig: Sie muss ihn definieren und sie muss seine Herkunft erklären – wie hat er sich entwickelt? Eine wirklich unvoreingenommene Offenheit vermag hier unzeitgemäße Fragen zu stellen: Ist es nicht naheliegend, dass ein Volk in der Mitte Europas, in seiner Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte naturgemäß vielerlei potentiellen Angriffen ausgesetzt und aus unterschiedlichen Linien erwachsen, für seinen Selbsterhalt auf besonderen Ideenreichtum, auf Innovation und Tatkraft angewiesen war? Dass Facettenreichtum, Vielseitigkeit und Raffinesse folgerichtiges Resultat genetischer Kombinationen waren? Und dass diese Fähigkeiten, über Jahrhunderte trainiert, tradiert und perfektioniert, dann in friedlicheren Zeiten zum Zweck der Kultivierung angewendet wurden? Schließlich, aber nicht zuletzt: Wenn sich andere Länder und Völker nach wie vor gewisse Mentalitäten zuschreiben, warum sollte man das ausgerechnet den sprichwörtlichen Dichtern und Denkern verwehren?

 


Über den Autor: Martin Richter (M.A.) studierte Philosophie und Geschichte. Er schloss sein Studium mit einer Arbeit zu Kants kategorischem Imperativ bei E. G. Schulz ab, dessen Lehrer Julius Ebbinghaus und Klaus Reich als Legenden der Kant-Forschung gelten. Richter arbeitete bei Compact, für die Gegenuni und Recherche D, nachdem er 15 Jahre als Lehrer, Dozent und Trainer tätig gewesen war.



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