top of page

Adorján Kovács: EIN PROPHETISCHER TEXT? GEDANKEN ZU EINEM GEDICHT VON GERD GAISER

  • vor 10 Minuten
  • 3 Min. Lesezeit

Der in den 1950er-Jahren und der ersten Hälfte der 1960er-Jahre vielgelesene und oft prämierte Schriftsteller und Kunsthistoriker Gerd Gaiser (Die sterbende Jagd, Das Schiff im Berg, Schlussball) war als Lehrer Mitglied der NSDAP und im Zweiten Weltkrieg Kampfflieger. Sogar der ihn gegenüber Heinrich Böll – den heute aber auch kaum jemand mehr liest – aus ideologischen Gründen zurücksetzende Kritiker Marcel Reich-Ranicki konnte ihm großes Talent nicht absprechen.



ree


1941 veröffentlichte Gaiser seinen ersten (und einzigen) Gedichtband Reiter am Himmel, dem ein zweiter folgen sollte, der aber nie erschien. In diesem eindeutig nationalsozialistisch inspirierten Band findet sich neben einem Gedicht über den „Führer“, das so gläubig ist wie Johannes R. Bechers oder Bertolt Brechts Gedichte an die kommunistischen Massenmörder Lenin und Stalin, neben solchen zu „Stamm“, „Korn“ und „Wacht“ auch eines, das einem unvoreingenommenen Blick nicht anders als prophetisch erscheinen muss, zumal woke Agitatoren z. B. der BLM-Szene das gleiche rassistische Vokabular benutzen („black lives“, „people of colour“, „white guilt“). Heute, da das „Stadtbild“ in Deutschland sich erfreulich bunt darstellt, wie es einer US-amerikanischen BlackRock-Kolonie gut zu Gesicht steht, aber auch Parolen wie „good jeans“ und „white guilt is over“ zunehmend an Gehör gewinnen, sollte der problematische Text zur kritischen Diskussion gestellt werden. Wir tun das in Form einer kommentierten Nacherzählung. Der Originaltext ist für wissenschaftlich Interessierte leicht ausfindig zu machen…


Der Titel lautet: „Unheil, ihr weißen Völker“. Diese weißen Völker werden, so der Sprecher des Gedichts, in ihrem selbstzerstörerischen „tödlichen Spiel“ besorgt beobachtet von denen, die nicht auf Gott, sondern nur auf sich hoffen sowie illusionslos seien, und die in unermüdlichem Nachdenken „Zeit und Tod besiegen“. (Gaiser meint mit diesen Atheisten wohl die Nationalsozialisten, in denen er offenbar die Zukunft sieht.)


Er sagt dann: „Waffen, ihr Völker“ und meint die weißen. Er fragt: „Sollen die Farbigen / Eure Söhne morgen vom Wege fegen?“ Er fragt, ob jene sich etwa über „Weiß und Blond“ lustig machen sollen? Er fragt, ob das untergehen solle, was Krieger und Forscher erkämpft und erkannt haben, und damit die Vorherrschaft über die Welt erreichten? (Gaiser thematisiert den drohenden kulturellen und machtpolitischen Bedeutungsverlust der Weißen im anstehenden Hautfarbenkonflikt. Antisemitismus spielt hier gar keine Rolle.)


Denn „die andern“ würden „lauern“. Früher seien sie rückständig und gleichsam nicht ernst zu nehmen gewesen. (Gaiser meint das, was heute „globaler Süden“ genannt wird, vor allem Schwarzafrika.)


Aber nun sei ihr Schweigen „drohend“, sie „holen Atem / Euch zu ersticken“. Die Weißen hätten ihnen Waffen, Bildung und Technologie gegeben, die „der Farbige ebenso gut“ bedienen könne wie sie. Er sei aber todesverachtend und „entschlossener“, weil er „unerschöpflich an Zahl“ sei. Er entwickele sich technisch mit dem weiter, was er kopiere, und lasse den Weißen noch eine „Frist“, aber wenn diese ihm nichts mehr geben könnten, werde er „Eure winzige Zahl / […] wie Plunder aus eurem Erbe kehren.“ (Gaiser spricht hier neben der Angleichung in der Modernisierung besonders den demographischen Faktor an, der den Weißen zum Nachteil gereiche.)


Der Sprecher des Gedichts konstatiert dann die von Neid getriebene Selbstzerfleischung der Weißen, den „Brudermord“, der sie gegen die Bedrohung wehrlos machen werde. (Hier spürt man die Erfahrung des sog. Europäischen Bürgerkriegs seit 1914.)


Schließlich fordert er, dass die Deutschen die Führung ergreifen, die „Verblendeten” befrieden und den Zwist „schlichten“ sollen. „Aneinander geschart / In gerüstetem Frieden“, „ohne Neid und Furcht / Selbstgenügsam und streng“ sollen „Weiß und Gelb und Rot“ ihre Länder bewohnen. (Gaiser sieht also Europa, Russland, Fernost und die beiden Amerikas als einen Block, der, teilweise unter deutscher Vorherrschaft, wehrhaft, aber friedlich gegen den „globalen Süden“ zusammenstehen müsse.)


Über den Autor: Adorján Kovács ist Gesichtschirurg und Autor. Letzte Buchveröffentlichung: Sándor Petőfi. ‚Dichter sein oder nicht sein‘. Dichtung und Deutung. Arnshaugk Verlag: Neustadt an der Orla 2023. Näheres zu Werk und Wirken finden Interessierte auf der Webseite des Autors.


Hier können Sie TUMULT abonnieren.

Für Einzelbestellungen klicken Sie bitte hier.


Besuchen Sie das Dresdner TUMULT FORUM - für Termine und Neuigkeiten genügt eine Nachricht mit Ihrem Namen und dem Betreff TERMINE an TUMULTArena@magenta.de



bottom of page