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Angela Wierig: OSTWIND/WESTWIND

In ihrer Betrachtung über Mentalitätsunterschiede zwischen West und Ost, über die menschliche Natur und den Hang zum Religionsersatz schlägt unsere Autorin Angela Wierig Bögen von Nachwuchsheiland Greta Thunberg über das Anschlagsopfer Frank Magnitz bis hin zu Batman.



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»Du bist so BRD« sagte kürzlich ein Freund zu mir. Wie bitte, was? Wie ist man denn so BRD? »Bei euch ist es immer das Ego, das euch beschäftigt« haut er mir um die Ohren. So aus dem Nichts heraus. Ja, spinnt denn der? Gerade mal eben 30 Jahre nach dem Mauerfall hat der sich schon zum Besserossi gemausert. Und wirft mir vor, mein Ego zum Maß aller Dinge zu machen. Entschuldige mal bitte – ich bin so erzogen. Und außerdem gab es auch im Westen ernsthafte Anstrengungen, das Ego zu überwinden. Ein esoterisches Lüftchen blies uns aus dem noch ferneren Westen die Lehren des Don Juan, alias Carlos Castaneda zu. Wir haben Sätze wie »Du nimmst dich zu ernst. Du bist in deinen Augen zu verdammt wichtig. Das muss sich ändern. Du bist so gottverflucht wichtig, dass du glaubst, das Recht zu haben, an allem Anstoß zu nehmen. Du bist so verdammt wichtig, dass du es dir leisten kannst, abzuhauen, wenn nicht alles so läuft, wie du willst« durchaus interessiert zur Kenntnis genommen. Was uns nicht daran gehindert hat abzuhauen, wenn es nicht so lief, wie wir wollten. Später dann sind wir auf Knien dem Rolls Royce von Bhagwan Shree Rajneesh hinterhergekrochen, haben bei jeder unpassenden Gelegenheit Om gesagt, uns die Klamotten rot gefärbt und waren ganz kurz davor, unter den Anleitungen des Multimillionärs unser Ego zu überwinden, um ewige Glückseligkeit zu erlangen. Wäre nur die Luftverschmutzung nicht gewesen, so hätte es bestimmt geklappt.

Was nur treibt Menschen zu solch bizarrem Verhalten? Ob es nun ist, sich den Schädel zu rasieren und leicht bekleidet auf Flughäfen und in Einkaufszentren »Hare Hare, Hare Krishna, Krishna Hare« zu eigener Trommelbegleitung zu singen oder aber allen weltlichen Gütern zu entsagen und Braut Christi zu werden (im Übrigen eine Ehe die nie vollzogen wird, daher auch »Braut« Christi und nicht »Ehefrau«), oder Vater und Mutter in Bottrop zu verlassen um in einen heiligen Krieg zu ziehen. Was nur treibt sie an?

Diese Frage hatte mir 1989 unnachahmlich simpel der Joker beantwortet. Batman ist erschüttert, dass der Joker in Gotham City immer mehr Anhänger um sich scharen kann. Er versteht die Welt nicht mehr (wie so oft die durch und durch moralisch Einwandfreien nicht verstehen, was um sie herum passiert). Er ist doch der gute, wahre Held, während der Joker durch und durch böse ist. Warum dann wenden sich die Menschen dem Bösen zu? Hier Jokers Antwort (soweit ich sie erinnere und bitte lassen Sie Ihre innere Stimme mit der wunderbaren Diktion eines leicht lispelnden Jack Nicholson sprechen): »Die Menschen… Du verstehst die Natur der Menschen nicht. Die Menschen… sie lechzen… nach Führung«.

So weit, so simpel. Wenn ich durch die Straßen laufe und durch die leeren Augen der Passanten das eingeschrumpelte Hirn sehe, ist klar, dass die völlig verloren im was-denn-nun sind. Gegen ein wenig Führung – vorausgesetzt der Führer ist kein durchgeknallter Psychopath (erinnern Sie sich noch an Adolf »Atsche« Hitler?) – ist nichts einzuwenden. Virulent wird die Sache, wenn es um die Person des Führenden geht. Alleine die Tatsache, dass Sie diesen Text lesen, macht es obsolet, Ihnen etwas über Persönlichkeitsveränderungen durch Macht zu erzählen. Den Teil betrachten wir also als erledigt. Nur – wie sieht es um Menschen aus, die ihre Führung in einer ferngesteuerten 16-jährigen mit Asperger-Syndrom suchen? Ich erlaube mir an dieser Stelle, die Merkmale des Asperger-Syndroms in Erinnerung zu rufen. Betroffene Menschen können die Gefühle ihres Gegenübers nicht erkennen. Sie lernen mühselig anhand von Zeichnungen, dass nach oben gezogene Mundwinkel Freundlichkeit des Gegenübers signalisieren. Aus ihrer eingeschränkten Wahrnehmung folgt sodann eine eklatante Schwäche in der sozialen Interaktion wie auch in der Kommunikation. Und typisch für die Erkrankung ist ein stereotypes Verhalten mit eingeschränkten Interessen (fällt Ihnen ein gewisser Bezug auf?). Unter den lebenden Leichen ist die Retardierte Anführerin. Wobei ich mir vorstellen könnte, dass die hoffnungsvollen Jungdemonstranten auch für artgerechte Haltung des Nutzgemüses die Schule schwänzen würden. Es müsste nur eine Bio-Gurke moralisch einwandfrei vorwegmarschieren. Insofern: beeindruckend, wie die deutsche Jugend sich für die Umwelt einsetzten lässt. Gerüchte vermelden, dass einige sogar mit schamvoll gesenktem Blick in den SUV der Mutti einsteigen und nur noch alle zwei Jahre das neueste Smartphone verlangen. Das nenne ich mal ein Umweltbewusstsein.

Ich habe den Eindruck – ich mag mich täuschen – dass die verzweifelte Suche nach irgendetwas, dem man hinterherwatscheln kann, ein typisch westdeutsches Phänomen ist.

Vielleicht liegt es daran, dass unsere Brüder und Schwestern im Ostteil der Republik ausgiebig Erfahrung mit Führung sammeln durften. Die hatten Führung. Und zwar nicht zu knapp. Inklusive strenger Dienstaufsicht. Und wenn diese spezielle Führung sich oberflächlich betrachtete am Beispiel der Maslowschen Bedürfnispyramide (die hier für unsere Zwecke völlig ausreicht) auf die beiden untersten Ebenen der menschlichen Bedürfnisse, die physiologischen und die Sicherheitsbedürfnisse, beschränkte, konnte sogar die dritte und vierte Kategorie der sozialen Bedürfnisse und der Wertschätzung durch das System befriedigt werden. Voraussetzung war lediglich die Anerkennung des Systems und die Fügung in dessen Werte. Einzig für die letzte Stufe der Selbstverwirklichung, des Ich-Bedürfnisses, war nicht unbedingt viel Raum vorgesehen. Und um das Charisma der spirituellen Führer war es auch nicht unbedingt zum Besten bestellt. Karl-Eduard von Schnitzler und Lothar König fallen mir da ein. Deprimierend.

Wer sich in der DDR solche Extravaganzen wie Selbstverwirklichung und gar Spiritualität hingeben wollte, lebte gefährlich. Es hatte neben der staatlich verordneten Weltanschauung keine weitere zu geben. Nach Artikel 6 der DDR Verfassung wurde Boykotthetze bestraft und Boykotthetze war alles, was sich gegen die Interessen der SED richtete. Wer meinte, ein anderes Weltbild als das der Lesart der SED für richtig halten zu wollen, konnte das gerne annehmen. Aber bitte in der inneren Emigration. Sonst drohte der »unerwartete Nahschuss« in den Hinterkopf . Offiziell zuletzt ausgeführt am Stasi-Hauptmann Werner Teske am 26. Juni 1981. Er hatte seine Flucht in den Westen geplant. Und ein Spionage-Vorwurf stand im Raum. Offenbar hatte Werner Teske sich nicht mit der Flucht in die innere Emigration zufriedengeben wollen; er wollte raus. Keine gute Idee.

Ich stelle es mir zugegebenermaßen auch schwierig vor, jeden Tag im Dissens mit der Welt, die mich umgibt, zu leben. Mich nicht mitteilen zu können, weil ich nicht weiß, wer ein Spitzel ist und meine Gedanken umgehend an die Obrigkeit weiterleitet, die dann den unerwarteten Nahschuss einleitet. Da musst du zwangsläufig paranoid werden und die einzige Frage, die sich noch stellt, ist, ob du paranoid genug bist.

Wobei es hinsichtlich des Dissenses zwischen Mensch und Gestaltung seiner Lebenswelt durch die Obrigkeit momentan im Westen vielen Menschen ähnlich geht – fassungslos stehen sie daneben, wenn ihre Mitbürger einen mittelalterlichen Moralkodex als Bereicherung ihrer Kultur feiern. Allerdings müssen die diesbezüglichen Gedanken nicht geheim gehalten werden; anders als damals in der DDR hat das neudeutsche vereinte Volk Facebook. Eine Massenauswanderung in Facebook-Land ist zu verzeichnen. Einer der wenigen Orte der Welt, in dem eine Islamkritik geäußert werden darf, ohne umgehend in die rechte Ecke gestellt zu werden. Das Gegenteil ist der Fall – da sind tatsächlich Menschen – und zwar viele; man könnten schon fast vermuten: mehr – die die Sache ähnlich sehen. Vielleicht ein Grund für die massive Verteufelung von Facebook in den Leitmedien. Es wird getrommelt und beklagt: Facebook späht Euch aus. Die sammeln Daten. Ach nee – sonst macht das ja auch niemand. Ich nehme an, die Datensammelei wäre völlig unproblematisch, wenn Facebook nicht alles für sich behalten wollte, sondern die Datensätze in einem Anflug von Großherzigkeit dem Verfassungsschutz zur Verfügung stellen würde. Obwohl – denn bin ich paranoid genug? – läuft da vielleicht was? Es ist doch schon auffällig, dass der Bundesregierung keine Idee zu bizarr ist, wenn es darum geht, Steuern zu generieren. Und ausgerechnet ein Milliardenkonzern zahlt so gut wie nichts? Könnte man mal drüber nachdenken. Wobei ich von einer investigativen Recherche dringend abraten würde – unerwartete Verkehrsunfälle passieren so schnell.

Zurück zur Führung: wenn meine oben angeführte These richtig ist, dann haben wir es in der Tat mit einem gespaltenen Volk zu tun. Die eine Hälfte wurde auf Konsum dressiert (und wer von denen eine Ahnung hatte, dass Konsum alleine nicht glücklich macht, versuchte es mit freiem Ficken, was auch nicht glücklich machte und irrt bis heute auf der Suche nach Orientierung durch Achtsamkeitsübungen, Konsumverzicht, vegane Ernährung und Zen für Anfänger) und die andere Hälfte lernte auf die harte Tour, dass man nicht alles glauben sollte, was die Führung des Landes verbreitet. Und letztlich, dass auch ein Volk die Führung eines Landes übernehmen kann.

1989 kamen beide zusammen. Wäre ich zu diesem Zeitpunkt Regierung gewesen, so wäre mir wohl etwas blümerant geworden. Angesichts des Potentials, das sich in den Montags-Demos gezeigt hatte, war fraglich, ob die wilde Horde aus dem Osten im Schnelldurchlauf auf Tiefschlaf im Konsumrausch umerzogen werden kann. In der Retrospektive zeigt sich: sie konnte nicht. Der Kapitalismus ist an der Umgestaltung der neuen Länder trefflich gescheitert. Die versprochenen blühenden Landschaften entpuppten sich als Ödland. Und anstatt die Schuld bei jenen zu suchen, die einfielen und sich mit den Beutestücken wieder davonmachten, wurden die Menschen, die den Zusammenbruch ihres Lebens hilflos mit ansehen mussten, als Jammerossis beschimpft. Nicht wenige im Westen hätten lieber heute als morgen die Mauer wieder hochgezogen. Und nicht wenige im Osten stellten fest, dass die Sicherung der Grundbedürfnisse eine gewisse Nervenberuhigung mit sich brachte. Was hilft es dir, in Freiheit zu verhungern?

Und so lauerte im Osten viel Potential zum Widerstand gegen die herrschende Denke. Dazu noch orientierungslose Westler, die – wie oben ausgeführt – ständig auf der Suche sind, wem sie hinterherwatscheln können. Kann es sein, dass das Malmot des damaligen Vize-Kanzlers Gabriel vom »Pack« viel mehr war, als nur eine sprachliche Entgleisung? War das eine Kampfansage? Halte dich an die Gesinnungsdoktrin oder du wirst zum Pack aussortiert? Wobei die Beschimpfung als »Pack« angesichts des Bildungsgrades und der gesellschaftlichen Stellung bei vielen der Diffamierten so absurd lächerlich war, dass lediglich Herr Gabriel sich hätte fragen lassen müssen, unter welchem Stein er denn hervorgekrochen kam. Also wurde die Diffamierung ersetzt, durch »Neue Rechte«. Für die BRD-Sozialisierten der bösartigste Vorwurf, der gemacht werden kann. Von Geburt an entschuldigen wir uns im vorauseilenden Gehorsam für die Sünden der Groß- und Urgroßväter (die völlig außer Frage stehen und uns – sollten wir so kühn sein und sie in Frage stellen – umgehend einem Nazi- oder Rechtenvorwurf aussetzen) und dennoch ist es nie genug. Jede Forderung, ob nun nach materiellen Gütern oder weltanschaulichen Bekenntnissen, muss nur mit der Drohung verbunden sein, bei Zuwiderhandlung als Nazi gebrandmarkt zu werden und Widerstand wird zwecklos. (Es hat gute Gründe, dass der Zirkelschluss in der logischen Beweiswürdigung unzulässig ist. Doch wer lässt sich in Zeiten der Hysterie noch von Logik leiten?)

Warum ist das so? Weil wir sprachlicher Gewalt unterliegen. Weil wir eine Reflektion dessen, wie wir uns selbst sehen, in den Augen des Anderen sehen möchten. Wenn der Andere, das, was wir sind, negiert und durch etwas völlig anderes ersetzt, dann kann uns das im kleinen Rahmen egal sein. Wenn aber die Negation dessen, was wir sind und was uns ausmacht, öffentlich geschieht, dann sieht die Sache schon ganz anders aus. Dann wird uns genommen, was uns ausmacht – das ist sprachliche Gewalt. Worte, die verletzen. Worte, die schließlich den Tod des ursprünglichen Individuums bedeuten. Jedenfalls in der Wahrnehmung der Anderen. Was haben wir uns nur angetan, dass Deutschland sich in Besserwessis und Jammerossis, in Gutmenschen und neue Rechte spalten ließ. Teile und herrsche – funktionierte damals und funktioniert heute.

Ich würde – so ganz BRD und durch meine amerikanischen Freunde sozialisiert - dazu tendieren, ein best-of-both-worlds als Vision zu favorisieren. Im Westen etwas mehr Bodenhaftung und das Heil nicht in den Dingen suchen, die man besitzen kann. Besitz schützt nicht vor moralischer Erpressung – er macht anfällig. Etwas mehr Selbstbewusstsein und etwas weniger Ego-gesteuerte Befindlichkeit. Und dafür aus dem Osten etwas weniger Ressentiments gegen alles aus dem Westen. Nicht alle sind konsumgesteuerte und obrigkeitshörige Idioten.

Was mich im Umgang mit Ost und West immer wieder verwundert, ist die mangelnde Bereitschaft, den anderen als nicht-perfekten Menschen zu akzeptieren. Grundsätzlich eine Haltung, die nur einnehmen dürfte, wer selber… aber wer ist das schon? Ich wundere mich, in welchem Ausmaß Flüchtlingen aus aller Herren Länder therapeutische Begleitung zur Verfügung gestellt (in der naiven und absurden Hoffnung, eine mittelalterliche Weltvorstellung auf die Schnelle in die Neuzeit zu führen) und gleichzeitig den traumatisierten Menschen aus dem Osten der Republik jedes Mitgefühl verweigert wird. Nur zur Erinnerung: »Anders als den Tätern von 1933–1945, begegnet man denen von 1949 – 1989 auf der Straße«. Diesen Satz von Benjamin Jan Zschocke sollten alle von Mitgefühl Geschüttelten verpflichtet sein, 100-mal abzuschreiben.

Wobei Mitgefühl – wie Höflichkeit, Ritterlichkeit und gute Manieren – zu den aussterbenden Tugenden gehört. Die moderne Tugend hat ihren Fokus auf den Kampf gegen rechts eingestellt und jeder Blickwinkel, der einen Weitwinkel erfordern würde, ist in der Gesinnungsdoktrin nicht vorgesehen. Der so reduzierte Mensch ist mit differenzierten Betrachtungen überfordert.

Die Perversion des Guten nimmt für sich in Anspruch, Richter und Henker in Personalunion zu sein. Und wenn die physische Gewalt von links sich an den Rechten auslässt, sind die Claqueure der sprachlichen Gewalt bereitwillig unterstützend tätig. Als Frank Magnitz angegriffen wurde, erschien am nächsten Tag in der online Ausgabe der Hannoverschen Allgemeinen ein Artikel mit der Schlagzeile:


Frank Magnitz ist einer der Radikalsten in der AfD-Fraktion.


Im Artikel wird zitiert: Der Bremer AfD-Chef Frank Magnitz hegt keine Illusionen über seine Heimatstadt: »Bremen ist für die AfD ein schwieriges Pflaster«. Laut Artikel hatte Frank Magnitz diese Einschätzung gegenüber dem Weser Kurier zu Beginn des Wahlkampfes abgegeben.

Und was macht Jan Sternberg (ja, genau der) aus dieser Information?

Fest steht: Magnitz wusste bereits vor dem Angriff, dass Bremen ein »schwieriges Pflaster« ist. […] Dass Bremen ein höchst gefährliches Pflaster ist, musste Magnitz dann am Montagabend erfahren.

Das ist sprachliche Gewalt. Auf einen schwerverletzten Menschen mit Süffisanz zu reagieren.

Und natürlich gibt es diverse Tweets von diversen Politikern zu dem Thema. Es wird verurteilt; aufs schärfste. #Magnitz. #AfD. #Bremen. Wer auch zu dem Thema twittert, ist Cem Özdemir. Der predigt gegen Hass und fügt #nazisraus zu seinem Tweed hinzu. Das ist sprachliche Gewalt, die zu physischer Gewalt aufruft. Unter dem Deckmantel der Rechtstaatlichkeit. Der neue Faschismus maskiert sich hinter einem Anti.

Warum eigentlich muss in dieser Republik jeder, der Verantwortung für Menschen übernimmt – wie Ärzte, Anwälte oder Lehrer – eine Befähigung nachweisen, den Anforderungen auch gewachsen zu sein? Weil es Sinn macht. Nur Politiker, die die meiste Verantwortung für das von ihnen gelenkte Volk tragen, dürfen hirnlose Idioten oder geistige Brandstifter sein. Manchmal auch beides in Personalunion. Und werden dafür auch noch großzügig alimentiert. Erinnern Sie noch die Kokain-Reste auf den Toiletten des Bundestages? Das peinliche Gestammel, wenn Reporter nachfragen, was denn gerade das Thema im Bundestag war und keiner der befragten Abgeordneten in der Lage ist, wiederzugeben, worüber man gerade geredet hat. Nichts kapiert. Aber Volkes Wille verwirklicht. Wie tief schlafen wir eigentlich? Wie sediert im duldvollen Verharren?

Vielleicht – wenn wir aufhören uns gegenseitig zuzuschreiben, was sprachliche Gewalt angerichtet hat – wird das mal was mit dem einen Volk. Ost und West gemeinsam auf der Straße. Um das Pack loszuwerden. In Einigkeit. Für Recht. Und in Freiheit. Und dann gehen wir nach Hause und tun das, was im Prinzip alle Menschen wollen: das kleines Glück genießen und in Ruhe gelassen werden.




'Das Narrenland' (Angerer der Ältere)



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Über die Autorin:


ANGELA WIERIG, geb. 1962; nach erster Karriere als Barfrau 1990 Studium der Rechtswissenschaft in Hamburg. Seit 1998 selbstständig als Strafverteidigerin. Von Mai 2013 bis Dezember 2018 Nebenklagevertreterin im sogenannten NSU-Prozess. Essay in Kursbuch 186 (Juni 2016) über den Prozess; außerdem betreibt sie einen Blog.



 

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