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Angela Wierig: #UNTEILBAR

Aktualisiert: 25. Aug. 2019

Für den 24. August hat sich in Dresden die '#unteilbar-Demo' für Offen-, Frei-, Buntheit und das sonstige Übliche angekündigt. Unsere Autorin Angela Wierig schonte sich nicht und sah in Vorbereitung auch auf diesen weiteren Weltoffenheits-Meilenstein bei Dunja Hayali hinein. Gäste dort: Die Erzfeinde Habeck und Rackete – er noch freventlich in eine Runde gezwungen, sie bereits allein auf weiter Studio-Flur – natürlich: Wer würde auch Gott einladen und Darwin hinzubitten, solange die Klingen der gebührenfinanzierten Inquisition noch scharf sind?




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Ich weiß nicht, ob Sie es mitbekommen haben: der Green Trash hat einen neuen Hashtag. Siehe oben. In ihrem Aufruf vom 13.10.2018 konstatiert #Unteilbar:


„Es findet eine dramatische politische Verschiebung statt: Rassismus und Menschenverachtung werden gesellschaftsfähig. Was gestern noch undenkbar war und als unsagbar galt, ist kurz darauf Realität.“

Man muss neidlos feststellen: die hatten seherische Fähigkeiten.

Kein Jahr nach dieser düsteren Prognose wird in Frankfurt ein gerade mal 8-jähriger Asylsuchender von einem Rechtsradikalen vor einen Zug geschubst. Medien behaupten, der Täter sei psychisch krank gewesen, aber so einen Blödsinn kann mir hier niemand mehr verkaufen. Da steckt doch ein Netzwerk dahinter… Dasselbe Netzwerk dürfte verantwortlich sein dafür, dass in Stuttgart ein Asylsuchender von einem wahrscheinlich rechtsradikalen Deutschen auf offener Straße mit einer übergroßen Hieb-und Stichwaffe zu Tode gehiebt und -stochen wurde.


Sie sehen an diesen beiden Beispielen, wie gesellschaftsfähig Rassismus und Menschenverachtung geworden sind. Wären die Opfer Deutsche gewesen, hätten sich längst Lichterketten formiert und erste Stiftungen wären nach ihnen benannt worden. Aber da es sich nur um Asylsuchende gehandelt hat… Da kann man schon mal auf die vielen, vielen Toten hinweisen, die ständig in den fließenden Straßenverkehr geschubst werden und anmahnen, nicht so ein Buhei zu veranstalten. Und die „Der Junge, der im Gleisbett in Einzelteile zerlegt wurde – Stiftung“ geht ein wenig holprig von der Zunge. Dann lieber nicht.


Wussten Sie übrigens, dass – falls Sie mal in die konkrete Situation kommen – es Ihrem Mörder schwerer fällt, Sie zu entleiben, wenn Sie ihm Ihren Namen nennen? Je mehr der mörderisch Entschlossene Sie als Mensch wahrnimmt – der einen Namen hat – desto schwerer fällt die Tötung. Außer Sie haben es mit einem Psychopathen zu tun – dem ist das egal. Wie ich in diesem Zusammenhang einordnen soll, dass der Junge aus dem Gleisbett bis heute keinen Namen hat…? Und nein, er heißt nicht Oskar. Das hatte sich jemand ausgedacht.


Verständlich jedenfalls, dass Asylsuchende in Deutschland durch solche Vorfälle ein wenig besorgt werden. Man muss das verstehen – die sind eben kulturell so geprägt, dass sie einige wenige bedauerliche Einzelfälle gleich zu einer allgemeinen Bedrohungslage aufbauschen. Die kennen sich eben auch noch nicht so aus mit dem Verhalten an der Bahnsteigkante. Mit dem Verhalten angesichts scharfer Hieb-und Stichwaffen schwingender Menschen im Einzelfall freilich ein wenig besser, aber wenn nur die Spitze des Eisberges offen zum Angriff übergeht und ein Schläfer-Netzwerk wie die Terrakotta-Armee von Qin Shi Huangdi nur auf ihren Einsatz lauert – dann kann man schon mal besorgt sein.


Glücklicherweise sind wir in Deutschland: die Fremdbesorgung der Deutschen ist über jeden Zweifel erhaben. Eine der merkwürdigsten Blüten treibt die Fremdbesorgung im Hinblick auf die wertschätzende Ansprache des sexuell Konfusen. Falls Sie sich auch sorgen, werde ich umgehend meine Wertschätzung Ihrer Zeit mit diesem Essay zum Ausdruck bringen und Ihnen langwierige Recherche ersparen: „Sier“ lautet das korrekte neue Personalpronomen für das dritte Geschlecht. Ihren weltmännischen*Innen Umgang mit dem Thema können Sie demonstrieren, indem Sie sich der Thematik bewusst wie folgt vorstellen: „Mein Name ist Angela, Personalpronomen sie“. Das habe ich mir nicht ausgedacht; das wird in einschlägigen Leitfäden den ratlosen Nicht-Diversen so empfohlen.


Die Frage bleibt, ob mein Gegenüber tatsächlich divers ist und solche Feinsinnigkeit meinerseits zu schätzen weiß oder ob ich gerade eine etwas maskulin wirkende Ehegattin meines künftigen Geschäftspartners im besten Fall in tiefe Verwirrung gestürzt oder im schlimmsten Fall übel beleidigt habe. Bei momentan ca. 150 Menschen in Deutschland, die die Thematik betrifft, belasse ich es dann lieber bei der klassischen Begrüßung. Aber Sie sehen an diesem kleinen Beispiel, wie ernst Deutschland die Fremdbesorgung nimmt. Was wurde die Benachteiligung der Diversen durch die Gazetten, Stiftungen, Gerichte und Lehrstühle getrieben. Nur damit das Ärzteblatt im Mai 2019 nüchtern mitteilen konnte, die Zahl der Menschen mit drittem Geschlecht sei wohl doch geringer als angenommen. Nämlich eben jene 150 Personen deutschlandweit. Man*In kann nicht behaupten, dass sich darum nicht gekümmert worden sei.


Man könnte den Eindruck haben, Deutschland ist eine Nation der Kümmerer. Edel sei der Deutsche, hilfreich und gut. Edel verstehen Sie bitte nicht im historischen Kontext des Edelfräuleins oder Edelmannes; das neue Edel kommt bescheiden im Gewande der Verwahrlosung. Kürzlich hatte ich das Missvergnügen, gleich zwei der Vorzeige-Kümmerer in einer Sendung bei ihrem quirligen Treiben beobachten zu können. Beide Green Trash durch und durch.


Ich gebe zu, dass es ein gewisser Masochismus war, der mich an diesem Abend nicht nur einen Sender des öffentlich-rechtlichen Fernsehens einschalten ließ, sondern eine Sendung mit Dunja Hayali, Robert Habeck und Carola Rackete. Aber ich halte nun mal nicht so viel davon, mich lediglich durch Aversionen leiten zu lassen; ich wollte gerne wissen, ob meine Aversionen auf einer tragfähigen Grundlage basieren. Dass es eine Höchstbelastung für Geist und Psyche werden würde, war klar. Aber Denken fordert Opfer, und ich war bereit, mich für die gute Sache ein ganz klein wenig zu opfern.


Bereits im Vorfeld der Sendung meldeten sich einige Menschen zu Wort und bemängelten eine gewisse Unausgeglichenheit. Habeck hatte lediglich drei besorgte Bürger als Gegengewicht, die allesamt von seiner schönen neuen Klimawelt unmittelbar betroffen sein werden. Das fand man nun unfair – so ein rhetorisch geschickter Politiker bügelt doch den einfachen Menschen von der Straße schlicht ab.


Ja, denkste. Bürgernah ist der Habeck und bürgernah seine Rhetorik. Natürlich sind die Zeiten lange vorbei, als Mark Anton seine Rede über ehrenwerte Männer mit den Worten: Freunde! Mitbürger! Römer! einleitete. Habeck leitet seine Sätze mit „Ey, Leute“ ein. Ich würde dazu neigen, es als einen Tiefpunkt des Niederganges anzusehen. Und von der befürchteten Unterlegenheit der einfachen Menschen gegenüber dem Politiker ist nicht ein Hauch zu spüren. Vernünftige Überlegungen sind eben nicht einfach zu widerlegen und so verlagert sich Herr Habeck aufs schwafeln. Schwafelt sich an jeder Antwort vorbei und wenn es ganz gut klingt, applaudiert das Publikum. Von denen wahrscheinlich nicht ein Einziger den Satz wiedergeben könnte, den er gerade eifrig beklatscht hat. Tatsächlich vermisse ich an dieser Stelle einen der brillanten Wissenschaftler, der Habeck anhand von Daten und Fakten damit konfrontiert, dass seine Klimarettung lediglich ein Glaubensbekenntnis zur Rettung seiner (Habecks) Daseinsberechtigung ist. Aber – ey, Leute – öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Natürlich ist da niemand eingeladen, der den Konsens stört.


Auch Frau Hayali ist nicht geneigt, in diesem Zusammenhang den Herrn Politiker zu fragen, ob denn nicht vielleicht die Politik mal einen Anfang machen könnte und die schöne Tradition aufgeben könnte, das Europaparlament ständig zwischen Brüssel, Straßburg und Luxemburg hin- und herreisen zu lassen. Oder warum der Herr Politiker die Strecke Stuttgart – Hamburg mit dem Flugzeug zurücklegt. Oder warum Herr Habeck öffentlich äußert, es sei „Strukturpolitik“ wenn 230.000 Inlandsflüge zwischen Berlin und Bonn stattfinden und das sei nun wirklich nicht die drängendste Frage. Wasser predigen und Wein saufen – wann wurde eigentlich und durch wen das schöne Wort von der „Toskana-Fraktion“ aus der Berichterstattung verbannt?


Jedenfalls würden diese Fragen die Strahlkraft des Klima-Helden Habeck um etliche Watt senken. Vielleicht werden sie deshalb auch nicht gefragt. Immerhin ist er die Lichtgestalt des Green Trash. Was sich unschwer dadurch erklärt, wer da sonst noch so herumkraucht. Ich meine – jede Feuerwehr bekommt zwölf schnieke Jungs mit freiem Oberkörper für einen Kalender zusammen. Versuchen Sie das mal bei den Grünen. Ich wäre bereit zu zahlen, um es nicht zu sehen. Aber ich schweife ab. Zurück zur Sendung.


Eine Frage liegt so sehr auf der Hand, dass die Aberkennung jeglicher journalistischer Turnierfähigkeit droht, wenn sie nicht gestellt wird – und so stellt man sich todesmutig der Greta-Frage: Werden die deutschen Bemühungen zu Klimarettung angesichts der globalen Situation irgendwelche Auswirkungen haben? Nein, natürlich nicht. Die Erde ist ein geschlossenes System. Wäre die ehrliche Antwort. Das Problem ist nur, dass diese Antwort Teile der Bevölkerung verunsichern könnte. Und deshalb schwafelt Herr Habeck etwas von „wir müssen zeigen, wie es geht, sonst macht niemand was. Dann kann man Politik in die Tonne kloppen.“


„Wir müssen zeigen, wie es geht.“ Das „wir“ schließt ihn natürlich nicht ein (wie oben ausgeführt). Spätestens seit Merkels „wir schaffen das“ sollte jedem Bürger dieser schönen Republik klar sein, dass ein „wir“ eines Politikers als „ihr“ zu verstehen ist. Ihr schafft das, ob ihr wollt oder nicht. Ebenso wie es so viel leichter fällt, das Geld anderer Leute auszugeben als das eigene, ist es auch so viel einfacher, anderen Menschen Ziele zu setzen, in deren Verwirklichung man persönlich nicht involviert ist. Also zeigt der Robert, wie es geht und wir führen es aus. An Roberts Wesen soll die Welt genesen. Wäre er ein Rechter, würde die Nation aufheulen angesichts eines derartigen Größenwahns.


Ey, Robert, ist klar – Milliarden von Asiaten und Amerikanern werden voller Bewunderung zuschauen, wie Deutschland seine Wirtschaft an die Wand fährt, um das Klima zu retten. Ich sehe es gestochen scharf vor meinem geistigen Auge, wie Trump the german way lobend erwähnt und künftige Geschichtsbücher werden die Ära Habeck als den Beginn der guten neuen Zeit loben. Unsere Enkel werden bei Kerzenschein nachlesen, warum sie die Kartoffeln fürs Abendbrot selber ausbuddeln müssen und der Sonntagsbraten aus Ratte besteht – aber es wird die gute neue Zeit. Vielleicht gucken die dann 40 n. H. (nach Habeck) ein wenig betreten aus der Wäsche, wenn der CO2-Ausstoß doch nicht zum Armageddon geführt hat, doch ich gehe davon aus, dass Gutmenschentum und explizite Blödheit dominant vererbt werden und unsere Urenkel grenzdebil über der Sonntagsratte ihre moralische Makellosigkeit genießen. Und die greise Uroma bitten, nochmal zu erzählen, wie das war, als sie damals mit der Greta gehüpft ist.


Wenn schon der erste Teil des Statements des Robert H. in seiner manischen Sinnlosigkeit erschüttert, so ist seine Konklusion, man könne Politik in die Tonne treten, sofern sie nicht aus selektivem Aktivismus bestehe, noch weitaus entlarvender. Politik und alle machen mit. Politik sollte Gesellschaften lenken; nicht jedoch die Gesellschaft mit moralischem Druck die Politik (außer es macht Sinn, wie z.B. eine Diktatur zu stürzen). In der Regel ist die breite Masse nicht sehr vernünftig in ihren politischen Entscheidungen. Viel zu viele Emotionen, Halbwahrheiten und das Maß aller Dinge in unserer Zeit, die moralische Überlegenheit des Handelns, sind schlechte Ratgeber. Es ist eine Form von Notwehr, dass die Zivilgesellschaft sich zusehends politisiert – ohne den Anstand einer tatsächlich stattfindenden politischen Auseinandersetzung – und es ist eine Notwehr und Notwendigkeit, weil wir Politiker vom Schlag eines Robert Habeck aushalten müssen.


Wobei – wir sind erwachsen; wir halten vieles aus. Was ich persönlich dem Green Trash anlaste, ist die Verunsicherung jener, die noch nichts aushalten. Alle die lieben Kleinen, die Freitags um ihr Leben hüpfen. Die ernsthaft darüber nachdenken, elendiglich zu verrecken, bevor sie dreißig sind. Kinder in Todesangst. Welche Spuren wird es hinterlassen, wenn Kinder sich täglich mit ihrem ungewollt frühen Ableben auseinandersetzen? Und bei aller Eingeschränktheit des jugendlichen Denkvermögens: der eine oder andere wird sich die Sache mit dem geschlossenen System schon bewusst gemacht haben. Und verzweifelt noch ein wenig schneller hüpfen. In der therapeutischen Arbeit gibt es den schönen Satz: „was man fühlt, ist wahr.“ Jeden Freitag hüpfen die kleinen Lemminge auf ihren Abgrund zu. Irgendjemand, der im Land der Kümmerer sich darum mal bitte kümmern möchte?


Ich habe den Eindruck, dass es auch beim Kümmern eine moralische Werte-Skala gibt. Momentan gibt es eigentlich nichts, um was sich moralschöpfend erquicklicher gekümmert werden könnte als um Flüchtlinge. Und zwar deshalb, weil es tief bekümmert, dass Rassismus und Menschenverachtung so gesellschaftsfähig geworden sind. So wird es erzählt. Immer und immer und immer wieder. Tatsächlich sind Rassismus und Menschenverachtung lediglich Etiketten in der politischen Auseinandersetzung. Und es gibt schlicht keine Bevölkerungsgruppe, bei der das so gut funktioniert.


Ich erkläre es an einem Beispiel: Wenn ich der Ansicht bin, dass man kriminelle Ausländer abschieben sollte, so wird mir vom EuGH mitgeteilt, dass es menschenverachtend sei, kriminelle Ausländer in ein Land zu verfrachten, in dem ihnen Ungemach droht. Schlimmstenfalls das schlimmste Ungemach in Form von Folter und Tod. Ich betrachte diese Sicht der Dinge als Verachtung der Menschen, die einen Angehörigen verloren haben. Und zwar aufgrund der menschenverachtenden Tötung durch jenen, dessen Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit gerade so nachdrücklich geschützt wird. Diese meine Ansicht ist jedoch menschenverachtend. So funktioniert das.


Und wenn ich die Ansicht vertrete, dass aufgrund einer Sozialisation vieler Flüchtlinge, in deren Wertegefüge eine Frau unter dem Nutzvieh rangiert, eine ein ganz klein wenig unerfreuliche Situation für Frauen in Deutschland entstehen lassen könnte, dann bin ich eine Rassistin. Was für ein hanebüchener Blödsinn. Die Sache mit den Frauen findet sich allerdings überdurchschnittlich häufig in unterkultivierten muslimischen (ist das eine Tautologie? Irgendwie schon. Ich lasse es trotzdem drin.) Staaten. Der Islam ist aber keine Rasse. Weshalb die Beschimpfung als Rassist, wenn man grundsätzlich Moslems nicht so klasse findet, pure Idiotie ist und flugs zu 'islamophob' umgemodelt wird. Und islamophob zu sein ist nun auch irgendwie rassistisch und menschenverachtend. Und so schließt sich die Zirkelargumentation der guten Menschen. In der Logik kommt man mit einem Zirkelschluss nicht weit – aber es geht auch nicht um Logik. Logik hat zu schweigen, wenn Moral die Keule schwingt.


Womit wir bei der Speerspitze der Moralkeulen wären. Rackete. Vorname: Carola. Pronomen: vermutlich sie. Carola ist der zweite Akt des kleinen Trauerspiels im öffentlich-rechtlichen. Ihre Heiligsprechung droht und so ist es stimmig, dass sie als einziger Gast für die letzten zehn Minuten der Sendung vorgesehen ist. Man würde ja auch nicht Gott in eine Talkshow einladen und Darwin hinzubitten. Obwohl es interessant wäre. Viel zu interessant für öffentlich-rechtliches Fernsehen. Teile der Bevölkerung könnten verunsichert werden.


Und da sitzt sie nun, unsere liebe Frau von der Flüchtlingsrettung: die Weiße mit den Dreadlocks, BH-Verweigerin an Bord und vor Gericht und gerne mal im Shirt einer grünradikalen Organisation gewandet. Ich weiß nicht, ob Sie es wissen: Dreadlocks kommen ursprünglich aus der Rastafaria-Bewegung und werden täglich im Salzwasser gebadet und an Steinen ausgeschlagen. Denken Sie mal kurz darüber nach, warum wohl. Um das Ungeziefer wieder los zu werden. Ich gehe nicht davon aus, dass Frau Rackete ihre Filzlocken täglich in Salzwasser badet und an Steinen ausschlägt. Vielleicht erklärt das ihren verbiesterten Gesichtsausdruck. Es juckt. Mörderisch. Wahrscheinlich handelt es sich aber auch nicht um eine Frisur, sondern um ein Statement. So im Sinne der Verbundenheit mit dem schwarzen Mann. Wobei – die Rastafaria glauben an ganz viele Dinge; unter anderem daran, dass Haile Selassie der wiedergekehrte Jesus Christus ist und Frauen nur auf der Welt sind, um den Männern zu dienen. Und sie glauben nicht nur, sie fordern auch (wenig überraschend; wer fordert nicht), sie fordern nachdrücklich die Repatriierung, also die Rückkehr in die afrikanische Heimat ihrer Vorfahren. Das dürfte Frau Rackete irgendwie durchgerutscht sein. Denn was sie nun in der Sendung fordert, ist das Gegenteil von 'Afrikaner nach Afrika'; sie fordert, dass Deutschland und Europa alle Klimaflüchtlinge aufnehmen müssen. Aufgrund – was auch sonst? – der historischen Verantwortung.


Und ich dachte, es geht um Asyl. Um Terror und Folter. Und nicht um das Klima. Klimaflüchtlinge? Ich bin gespannt, wann der Europäische Gerichtshof entscheidet, dass jemandem, dem es zu warm geworden ist, Anspruch auf Aufnahme im klimatisierten Europa zugestanden werden muss. Und ab wann ist warm zu warm? Zieht weiter nach Grönland, ihr Klimaflüchtlinge. Da ist es schön kühl und da ist auch mehr Platz.


Obwohl Grönland natürlich keine historische Verantwortung für das Klima hat. In puncto historische Verantwortung hält Deutschland unangefochten die Spitzenposition. Nichts gibt es auf der schönen weiten Welt, wofür wir nicht die historische Verantwortung haben. Auch eine Spielart von Größenwahn, oder? Wobei mir spontan auffällt, dass wir wahrscheinlich nicht am Tod Jesu Christi schuld sind. Aber das kann sich ja auch noch ändern. Jedenfalls haben wir nach Ansicht von Rackete die moralische Verantwortung, bummelig 1,3 Milliarden Afrikaner nach Europa zu holen. Da leben nämlich erst 746 Millionen und insofern haben wir noch einen Haufen Platz. (Racketeering ist übrigens im englischsprachigen Raum ein feststehender Begriff für kriminelle Handlungen. Bekannt aus dem RICO-Act (Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act). Fiel mir gerade in diesem Zusammenhang so ein.)


Rackete sollte jedenfalls nicht über moralische Verantwortung schwafeln, solange sie nicht einmal rafft, im Sinn der von ihr verehrten Haartracht in der falschen Richtung unterwegs gewesen zu sein. Und wenn sie schon die Verschleppung armer Afrikaner zu den ehemaligen Kolonialherren unterstützt: wie wäre es mit ein wenig Verantwortung für die so Verschleppten? Seit Mai dieses Jahres ist das wunderbare NesT-Programm am Wirken. Haben Sie noch nie was von gehört? Ich auch nicht. Bei diesem Programm übernehmen „Mentoren“ die Verantwortung für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge und zahlen zunächst mal die Kaltmiete für zwei Jahre. Wobei – laut Website – die eigentliche Hilfe „natürlich im menschlichen Bereich erwartet wird: Helfen, Deutsch zu lernen, einen Job zu finden oder einen Ausbildungsplatz. Helfen, eine Schule zu finden oder einen Kindergarten auszuwählen. Und vielleicht einfach mal zeigen, welcher Laden das beste Gemüse hat, wie das mit der Bibliothek funktioniert oder wo es den tollsten Spielplatz gibt.“


Das Programm hat eingeschlagen wie eine Bombe. Wo immer es auftauchte, ergriffen die künftigen Mentoren die Flucht. Kurz: die Begeisterung der Bevölkerung hält sich in Grenzen. Was eventuell damit zusammenhängen mag, dass bereits jetzt eine erkleckliche Zahl hilfsbereiter Bürger auf Schulden von bis zu 60.000 € sitzen, weil sie Bürgschaften für Flüchtlinge übernommen hatten. Denen rufe ich ein fröhliches: „Nur Mut – Ihr schafft das“ zu.


Ob Rackete und/oder ihr furchtbar stolzer und finanziell gut aufgestellter Daddy beim NesT-Bau mit von der Partie sind, wird von der Qualitätsjournalistin nicht gefragt. Schade. Stattdessen kommt die überaus konfrontative Frage der gewissenhaften Dunja Hayali, ob Rackete denn Verständnis für die Menschen in Deutschland habe, die die Umsiedlung der Bevölkerung des schwarzen Kontinents nach Europa eher kritisch sehen. „Nee – eigentlich nicht“ ist die unfassbare Antwort. Noch nicht einmal Verständnis… Und das Publikum applaudiert. Kann sich bitte jemand kümmern? Bei unserem kleinen dumm-dumm-Geschoss wäre denkbar, dass sich ein Parasit durch die Kopfhaut ins Hirn gefressen hat. Aber was ist mit den Menschen, die dazu applaudiert haben? Wahrscheinlich sehen wir sie demnächst in Dresden. Marschierend auf der Straße. #Unteilbar.  




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Über die Autorin:


ANGELA WIERIG (*1962); nach erster Karriere als Barfrau 1990 Studium der Rechtswissenschaft in Hamburg; seit 1998 selbstständig als Strafverteidigerin; von Mai 2013 bis Dezember 2018 Nebenklagevertreterin im sogenannten NSU-Prozess.




 

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