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OFFENER BRIEF an Prof. Hartmut Dorgerloh, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss


Werter Herr Prof. Dorgerloh,


als Beilage der Sächsischen Zeitung wurde mir vor einiger Zeit eine Ausgabe des „Humboldt Forum Magazins“ zugestellt. Mit Ihrer Publikation präsentieren Sie das Konzept einer der „Weltoffenheit“ zugewandten Nutzung des Berliner Schlosses. Diesem Konzept möchte ich skizzenhaft meine Kritik entgegensetzen.



Cristian Vollmer, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons


Ich stelle sie unter den Titel: „Das Humboldt Forum – hybride Kulturvermischung in einem klassischen Baukörper“. Zu den Diskussionen um die Nutzung des Schlossneubaues ist m.E. bereits alles gesagt, ich möchte es hier nicht wiederholen. Einige Aspekte möchte ich jedoch – in polemischer Form – hinzufügen:


  • Die IIlegitimität der Einpflanzung archaischer Kulturformen in klassische Architektur.

  • Die dominante Zurschaustellung des Fremden im Zentrum der immer noch deutschen Hauptstadt.


In Ihrer Publikation reduzieren Sie das architekturhistorisch großartige Schloss auf das nachträglich so benannte „Humboldt Forum“. Wer so mit organisch gewachsener Baugeschichte umgeht, hat sie m.E von vornherein verfehlt, will sie politisch motiviert umschreiben Er greift willkürlich und zielgerichtet in historisch gewachsene Strukturen ein und deutet sie zeitgemäß willkürlich um. In diesem Fall: Er zerreißt die Einheit von Innen und Außen, Inhalt und Form, stellt sie demonstrativ gegenüber und belastet das historisch Gewachsene mit den Problemlagen der Gegenwart und dem politisch Gewünschten.


Die auf „Weltoffenheit“ orientierte Innenpräsentation des Forums steht in keinem Verhältnis zum

Gesamtbaukörper, widerspricht der äußeren Gestaltung und untergräbt den ursprünglichen Gesamtcharakter des Bauwerkes. Und dies alles ohne äußere Not und entgegen kompetenten alternativen Empfehlungen.


Damit ist nichts gegen die Berechtigung und den Wert von Präsentationen anderer Kulturen anderen Ortes gesagt, das Leipziger Grassi Museum z.B. beweist dies mit Erfolg seit vielen Jahren. Die Einpflanzung archaischer, zumeist tribalistischer, präzivilisatorischer Artefakte in einen derartig mit nationaler Geschichte und Kunsthistorie aufgeladenen klassischen Baukörper zeugt m.E. jedoch primär von Geschmacklosigkeit. Es ist eine zutiefst hybride Vermengung. Die Verantwortlichen müssen sich Parallelen zu den Völkerschauen des 19. Jahrhunderts gefallen lassen. Glauben Sie wirklich, Kulturnationen wie Frankreich oder Italien würden die kulturellen „Errungenschaften“ tribalistischer Völkerschaften – die noch heute die Kriege der Urgesellschaft führen und die noch heute auf die permanente Hilfestellung entwickelter Industrienationen bitter angewiesen sind – im Herzen ihrer Hauptstädte, im Louvre oder in den Vatikanischen Museen ausstellen?


Ein solcher Missgriff konnte nur den Deutschen widerfahren. Nur dieses Land verneigt sich im Bewusstsein ewiger Schuld vor dem selbst erschaffenen unheilvollen Mythos einer angeblichen, aber nie nachgewiesenen Bereicherung durch fremde Kulturen. Im Übrigen, was gilt denn nun: Rückgabe „kolonialer Raubkunst“ oder zur Schaustellung im kolonial ach so belasteten Deutschland? Warum öffnen sich die Türen dieses großartigen Bauwerkes nicht für die Zeugnisse deutscher bzw. abendländischer Kultur? Der Gedanke der Verleugnung des Eigenen drängt sich auf.


Warum diese künstliche, eigentlich schon provokante Vermischung? Kein Mensch käme auf den Gedanken, ein Violinkonzert von Sibelius gemeinsam mit einer afrikanischen Trommler-Darbietung aufzuführen. Nochmals: Ein Bauwerk, in dem Schinkel, Schlüter und Persius ihre Handschriften hinterlassen haben, bedarf nicht der Ergänzung afrikanischer oder asiatischer Kulturformen. Vermischung macht das Primitive nicht klassisch und das Klassische nicht noch besser. Sie verleihen mit Ihrem Konzept zumal afrikanischen Kulturformen einen Rang und einen Wert, der ihnen definitiv nicht zukommt. Für diese Erkenntnis muss man kein ausgewiesener Liebhaber Nietzsches sein. Für das jetzt geschaffene Konzept jedoch genügt pure Unterwürfigkeit.


Im Kern lassen Sie sich auf Etikettenschwindel ein: Der Besucher erwartet beim Durchschreiten der

großartigen Portale eine adäquate Fortführung dieser Atmosphäre im Innern – und erlebt ein schroffes Kontrastprogramm. Können Sie sich einen derartigen „Stilbruch“ in der Wiener Hofburg oder im Petersburger Winterpalais vorstellen?


Zu Ihrem Magazin selbst: Es präsentiert sich mit der These „Ein neues Stück Berlin stellt sich vor“. Auf der Titelseite bebildert mit „Kunst“ durch Vertreter afrikanischer Ethnien. Wer legt eigentlich fest, dies sei ein wirklich wünschenswertes Stück neuen Berlins? Oder ist Ihnen die seit 2015 virulente Kontroverse um die Asylpolitik entgangen? Bei der Lektüre des Magazins drängt sich die Vermutung auf, das Heft sei in enger Kooperation mit dem Berliner „Haus der Politischen Bildung“ entstanden. Die vielgestaltige Berliner Kultur und Geschichte ausgerechnet von sieben Berlinerinnen mit türkischem Migrationshintergrund erläutern zu lassen – darauf muss der Normalbürger erst einmal kommen!


Auch das Urteil von Frau Andrea Pichel über den ehemaligen Palast der Republik – „Der Palast der Republik war für mich staatsverordneter Budenzauber“ – spricht Bände. Man fragt sich, woher die junge Künstlerin ihre Lebenserfahrungen und ihr Geschichtsbild gewonnen hat. Zuletzt: Finden Sie es nicht geradezu lächerlich, dass Ihr Magazin sich immer wieder auf Wilhelm Humboldt, den großen deutschen Sprachforscher und Sprachbildner bezieht, zugleich aber eifrig dem Gendern Tribut zollt?


Am Ende steht die Frage: Warum eigentlich das Ganze? Was bewegt und motiviert einen zweifellos

angesehenen und hochgebildeten Mann, mit diesem Engagement genau das Falsche zu tun?


Meine bescheidenen historischen Kenntnisse verweisen mich zunächst auf die alles beherrschende Kraft des Zeitgeistes. „Weltoffenheit“ ist heute das Zauberwort jedweden Umgangs mit Kunst und Kultur. Die zwanghafte Vergottung des Fremden und Fernen gegenüber dem Eigenen und Naheliegenden. Damit wird aber der Wesenskern unserer Auffassungen von Kultur und Lebenswelt (Husserl) zerstört. Schon Freud ahnte es mit seinem „Unbehagen in der Kultur“ – einer Kultur, die nicht mehr primär die eigene Kultur ist und sein darf. Aber, werter Herr Dorgerloh, wir alle wissen, dass der Zeitgeist ein sehr flüchtiges Gebilde ist. Seine Essenz besteht in seinem permanenten Wandel. Wir alle wissen auch, dass Ihre Konzeption des Humboldt Forums keineswegs unumstritten war und nur auf einem komplizierten, eben zeitbedingten politischen Kompromiss beruht. Was machen Sie eigentlich, wenn Ihre Konzeption auch international langfristig nicht auf die Zustimmung stößt, die Ihnen durch politische Erwägungen und einen rot-grünen Senat – dem ja unendlich vieles andere misslungen ist – zuteil wurde?


Und noch etwas kommt hinzu. Es ist das Phänomen der Macht, der Machtausübung. Keiner hat es in

seinen persönlichen Herausbildungen besser beschrieben als Foucault. Wer gestaltet, tut es immer auch um der Macht willen. Sie haben Ihr Konzept der „Weltoffenheit“ und der Verleugnung des Eigenen in härtestem Streit gegen ganz andere Auffassungen durchgesetzt und erkämpft. Der „demokratische Kompromiss“ um das Humboldt Forum ging stets mit der Ausübung von Macht einher. Analoge Vorgänge in der Geschichte der Kultur und ihrer Präsentation sind bekannt. Diese Verführung der Macht ist bekanntlich auch im Nationalsozialismus und im Realsozialismus nachweisbar. Glauben Sie nicht, dass diese Phänomene nur der Vergangenheit angehören und nicht auch auf die Gegenwart zuträfen? Die Widersacher und Konkurrenten wurden stets gnadenlos ausgegrenzt. Aber all dies half bekanntlich nichts. Auch die von Ihnen sicherlich für die Ewigkeit konzipierte „Weltoffenheit“ des Humboldt Forums wird gegenüber dem Wandel der Zeit machtlos sein und deshalb keinen Bestand haben. Davon bin ich fest überzeugt!


Zuletzt: Ich schreibe Ihnen nicht, um eine Diskussion in Gang zu setzen. An deren Wert glaube ich nicht mehr. Mein Ziel ist es, Bruch- und Konfrontationslinien auch für die Zukunft noch deutlicher sichtbar zu machen. In diesem Sinne werden die Auseinandersetzungen in unserem Land weiter an Fahrt aufnehmen. Im Grunde genommen geht es um einen veritablen Kulturkampf. Die Kontroverse um das Humboldt Forum gehört dazu. Sie stehen in der Verantwortung!


Mit Grüßen


Dr. Thomas Küchenmeister


*



Über den Autor:


Thomas Küchenmeister hat nach Absolvierung seines 18-monatigen Grundwehrdienstes bei der NVA von 1971 bis 1977 an der Leipziger Universität Geschichte studiert. Von 1977 bis zur Wende arbeitete er an der dann abgewickelten Hochschule für Verkehrswesen in Dresden. 1984 wurde er an der Bergakademie Freiberg promoviert.



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