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Thomas Küchenmeister: DAS ZENTRUM FÜR INTEGRATIONSSTUDIEN DER TECHNISCHEN UNIVERSITTÄT

Der Gründungsakt des Zentrums für Integrationsstudien an der TU Dresden fiel kaum von ungefähr ins Jahr 2015. In seinem zweiten und letzten Beitrag zum ZfI arbeitet Thomas Küchenmeister heraus, wie selbstverständlich allen Projekten des Instituts die stillschweigende Anerkennung der Leitgedanken von Multikulturalismus, Humanitarismus und Globalismus zu Grunde liegen.




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Die Gründung


Auf dem Höhepunkt der Migrationkrise wird im Juni 2016 an der TU Dresden das Zentrum für Integrationsstudien (ZfI) gegründet. Der wachsende Druck einer unvorhergesehenen und bis dahin nicht für möglich gehaltenen Widerstandsbewegung gegen die Praxis der offenen Grenzen traf die etablierte Politik – und auch die etablierten Politikwissenschaften – mit voller Wucht. Es galt Pflöcke einzuschlagen, Verteidigungslinien aufzubauen und die Kräfte zu bündeln. Nur in diesem Kontext sind Gründung, Selbstverständnis und Arbeitsauftrag des ZfI zu verstehen.


In der “Ordnung des Zentrums für Integrationsstudien” sind Ausrichtung und Aufgaben des ZfI

(Präambel §1) und Zuständigkeit (§2) festgelegt. In § 3 (“Mitglieder”) werden die weitreichenden personellen Verästelungen des ZfI innerhalb und außerhalb der Technischen Universität benannt. Leitende Organe sind Vorstand, Mitgliederversammlung und Beirat.


Im neugegründeten ZfI werden die politischen Anforderungen der etablierten Parteien und das wissenschaftliche Potential einer Universität zur Deckung gebracht. Dabei ist das ZfI ein hastig zusammengefügtes (eine Ordnung wird ihm erst zwei Jahre später, im Jahr 2018, gegeben), bizarres Konstrukt, das sich eher durch seinen Netzwerkcharakter als durch genuin wissenschaftliche Stringenz und Qualität auszeichnet.


Unter dem Motto des Praxistransfers werden Verbindungen zum Hanna-Arendt-Institut (HAIT), zum Refugee Law Clinic (RLC), zum Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen, zur Landeszentrale für Politische Bildung, zum BAMF, zum Deutschen Hygienemuseum sowie zu einer Vielzahl weiterer Organisationen und Verbände hergestellt.


Bereits der erste Newsletter des ZfI vom April 2017 bestimmt deutlich das Ziel, den politischen Auftrag des ZfI als Dienstleister – “Wir sind das erste postmigrantische Zentrum Deutschlands” – und legt ein bestimmtes Verständnis von Migration verbindlich fest: “Eine postmigrantische Integration ist die Ermöglichung von Anerkennung, Chancengleichheit und Teilhabe an Vielfaltsgesellschaften.” So schnell kann der Geist des Grundgesetzes umgeschrieben werden.


Schon die Namensgebung der ZfI belegt den Bruch mit einer klassischen und seriösen Auffassung von Wissenschaft: Die Rede ist pauschal von “Integrationsstudien” und abstrahiert von der elementaren dialektischen Einsicht, dass Integration nicht isoliert von den Momenten der Desintegration und Auflösung, ja Zerstörung, zu betrachten ist – im konkreten Fall nicht von der Auflösung von staatlichen Strukturen, kulturellen Beziehungen und Lebensgewohnheiten der Bürger dieses Staates sowie der Stadt Dresden.


Ebendiese für die Bürger relevanten Themen kommen im Aufgabenkatalog des ZfI jedoch nicht vor.

Die symbiotische Bindung des ZfI an praktische Politik blendet aus, dass Wissenschaft nicht auf politische Nützlichkeit und kurzzeitige Opportunität ausgerichtet ist. Die Luhmannsche Systemtheorie fasst Wissenschaft vielmehr als gesellschaftliches Subsystem mit eigenen Voraussetzungen und Regeln, das seine Operationen primär nach der Leitdifferenz “wahr” vs. “unwahr” vollzieht. Dabei handelt Wissenschaft zunächst selbstreferentiell und unabhängig von anderen Subsystemen. Ihr Ziel ist wert- bzw. moralfreier Erkenntnisfortschritt – nichts anderes. Diese klassische Funktion von Wissenschaft ist im Fall des ZfI außer Kraft gesetzt.


Die als Forschung deklarierten Aktivitäten des Zentrums zielen einseitig darauf ab, eine bestimmte soziale Gruppe – die der Migranten – privilegiert zu untersuchen, zu verstehen, ihnen Hilfe und Unterstützung zu gewähren und sie, wenn nötig, geradezu militant gegen kritische Befragung abzuschirmen – kurzum, sie grundsätzlich mit einem maximalen politischen und moralischen Bonus auszustatten. Damit einher geht ein geradezu mystischer “Kampf gegen Rechts”, der hinter kritischen Nachfragen zu Sinn oder Unsinn der Integration sowie zu den Problemen des Alltags durchweg Verschwörungen, Ewiggestriges und Umstürzlerisches wittert.



Das Programm


Die “Laufenden und abgeschlossenen Forschungs- und Transferprojekte” gewähren einen Einblick in die unmittelbare Arbeit, vor allem jedoch in die dahinterstehenden Intentionen des ZfI. Ein erster und zweiter Blick lässst glauben, man lese in einem politischen Aktionsprogramm. So klein und bescheiden sich das ZfI gibt, es repräsentiert eine geradezu gigantische Themenvielfalt und lässt einen ambitionierten Aktionismus erkennen. Möglich ist dies vor allem durch die Vernetzung mit praktisch allen Einrichtungen der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der TU. Möglich wohl auch durch eine großzügige, der Öffentlichkeit weitgehend verborgene Finanzierung über Steuermittel. Beispielhaft seien hier folgende Projekte erwähnt:


- Gutachten zu Bedarf, Voraussetzungen und Umsetzungsmöglichkeiten eines Sächsischen

Integrationsgesetzes

- Kunst und Kultur in der polarisierten Stadt

- Courage: Wissen, Sehen, Handeln


Besondere Beachtung verdient das 2017 interdisziplinär vom ZfI erarbeitete und 2018 vorgestellte “Gutachten zu Bedarf, Voraussetzungen und Umsetzungsmöglichkeiten eines Sächsischen Integrationsgesetzes”. Was hier so selbstverständlich daherkommt, ist es nicht. Die Erarbeitung eines Integrationsgesetzes setzt stillschweigend die Notwendigkeit eines derartigen Gesetzes voraus, obwohl andere politische Kräfte dieses gerade ablehnen. Problematisch ist jedoch vor allem die Erweiterung des Gutachtens um sogenannte Handlungsempfehlungen, also rechtliche Regelungen, die ausschließlich in den Verantwortungsbereich von politischen Akteuren fallen. Die Einordnung der Handlungsempfehlungen in das Gutachten verleiht ihnen umstandslos geradezu wissenschaftliche Weihen. Dass die Handlungsempfehlungen des ZfI aber nicht politisch neutral abgefasst sind, zeigt u.a. der Umstand, dass sie von den politischen Parteien sehr unterschiedlich aufgenommen wurden. Nicht von ungefähr stießen sie insbesondere bei der Linken und den Grünen auf die mit Abstand größte Zustimmung.


Wichtige Elemente der Handlungsempfehlungen sind z.B.:


- die Wohnsitzauflage für Migranten,

- die Ausweitung der Berufsschulpflicht für volljährige Zuwanderer,

- die Anerkennung der Herkunftssprache als zweite Fremdsprache im Schulunterricht,

- die Einführung einer Quote für Migranten in der öffentlichen Verwaltung und

- die Anerkennung muslimischer Feiertage

Mit diesen Empfehlungen mischen sich unter dem Deckmantel der Wissenschaft politikfremde Akteure in das souveräne Gebiet des Politischen ein.

Eine große Rolle in der Arbeit des ZfI spielen sogenannte studentische Initiativen wie z.B.

- Refugee Law Clinic sowie

- IDA (“In Dresden ankommen”)



Im Refugee Law Clinic bildet das ZfI in zwei Monaten Studenten für die Rechtsberatung von Geflüchteten aus (eine Vorlesung, eine Arbeitsgruppe, ein Kolloquium, ein Praktikum). In anderen Bildungskontexten nennt man dies zu Recht “Schnellbesohlung”. Aus den Erfahrungen der insgesamt sehr komplizierten und umstrittenen Entscheidungen hinsichtlich des Rechtsstatus der Migranten, inklusive der nachträglich erkannten hohen Quote von Fehleinstufungen, kann man eine derartige Praxis nur leichtfertig oder verantwortungslos nennen. Zudem muss man erwarten, dass diese Rechtsberatung nicht einmal in einzelnen Fällen mit der Empfehlung an die Migranten, die Bundesrepublik umgehend zu verlassen, enden wird. Stattdessen erarbeitet das RLC für den Fall einer notwendigen Abschiebung sogenannte “Aufenthaltssichernde Maßnahmen nach abgelehntem Asylantrag” – und stellt sich damit provokant gegen geltendes Recht. Die hohe Zahl der Einsprüche von Migranten gegen Urteile des BAMF – von den Kosten für die Steuerzahler ganz abgesehen - ist wohl auch auf die fragwürdige Rechtshilfe der Refugee Law Clinic zurückzuführen. Das alles hindert die TU nicht daran, unter ihrem Dach bereitwillig RLC-Vernetzungstreffen für ganz Deutschland zu fördern.


Das Projekt IDA (“In Dresden Ankommen”) beinhaltet z.B.:


- die Koordinierung von Hilfs- und Handlungsangeboten für Geflüchtete,

- die Förderung des interkulturellen Austausches, sowie

- die Entwicklung von Angeboten für die Integration von Geflüchteten, bis hin zu Angeboten in Kitas.

Zur kulturellen Abrundung der wissenschaftlichen Arbeit der jungen Weltretter wurde auch eine Filmvorführung organisiert: “Die Mission der Liveline” (“für Bier und Tee ist gesorgt”). Hinzu kommen diverse Veranstaltungen mit dem Deutschen Hygienemuseum oder “Gemeinsam Essen” am Dresdner Neumarkt – mit musikalischer Begleitung durch “Banda Internationale”.

RLC und IDA markieren den ultimativen Übergang von wissenschaftlicher Arbeit und ernsthaftem politischem Engagement zur Politkirmes und Kinderei. Damit ist das Projekt unter dem schützenden Dach der TU irgendwo zwischen NGOs und der Soros Universität angesiedelt.

Große Aussagekraft haben die vierteljährigen Berichte des ZfI, die sogenannten Newsletter. Sie werden vom Vorstandsmitglied Dr. Noa K. Ha redigiert. Sie zeugen von teilweise unfreiwilliger Offenheit und davon, in welchem Umfang sich die Arbeit des ZfI – unter dem Feigenblatt des Praxistransfers – vom Wissenschaftsbetrieb hin zu praktischen Politikfeldern entwickelt hat.

Der Newsletter Nr. 9/2019 ist ein Paradebeispiel für politische Positionierung und Einflussnahme auf die Sachsenwahl. Da ist die Rede von “rechtspopulistischen Kräften mit antidemokratischen Positionen”, der Bestimmung “menschenfeindlicher Gewalt” und der Einforderung von “Grundwerten der Offenheit, Toleranz und Respekt”. Es sind Bestimmungen, die den Parteien im linken und grünen Spektrum aus dem Herzen sprechen und auch zum Handeln bzw. zum Wahlentscheid auffordern. Als Artikulation einer wissenschaftlichen Einrichtung lösen sie Befremden aus. Damit wird ignoriert, dass moralische Codierungen wie Gut vs. Böse oder Menschlich vs. Menschenverachtend im Wissenschaftsbetrieb nichts zu suchen haben. Gerade in Zeiten extremer Zuspitzung der parteipolitischen Positionen vor einer Wahl sind Sozialwissenschaften – wollen sie ihren unverzichtbaren Auftrag als Wissenschaft nicht verspielen – dazu aufgefordert, sich auf ihre Kernaufgaben zu beschränken. Die Ursünde staatlicher Migrationspolitik und sozialwissenschaftlicher Forschung wird deshalb, “weiter schwären wie die Wunde des Philoktet” – und auch das Ansehen der im ZfI involvierten Wissenschaftler langfristig beschädigen.



Die Selbstaufgabe


Was geschieht mit Wissenschaft, die sich selbstvergessen dem kurzatmigen Zeitgeist andient?

Unter dem Dach einer Universität gegründet, muss das ZfI akzeptieren, dass seine Arbeit nach den Maßstäben von Wissenschaft beurteilt wird. Zunächst fällt auf, das die ausgewiesenen Forschungs- und Transferprojekte zum Thema Integration:


- äußerst breit angelegt sind und Richtungen oder Schwerpunkte kaum ausgemacht werden können,

- eher kurzfristigen Aufgaben als langfristigen Studien folgen,

- ihre Anstöße fast ausschließlich aus der politischen Praxis entnehmen und

- fast immer mit moralischen bzw. moralisierenden Wertungen verbunden sind.


Insbesondere die beiden letztgenannten Punkte kennzeichnen das Absinken des wissenschaftlichen Niveaus der Arbeit des ZfI. Die Leitung der Universität muss sich die Frage gefallen lassen, weshalb sie diesen Niedergang durch politische Kräfte hingenommen hat oder – noch schlimmer – selbst initiiert hat. Auf ähnliche Anbiederungen deutscher Hochschulen an die Pressionen des Zeitgeistes stößt man ja in der jüngeren deutschen Geschichte immer wieder. War es die Aussicht auf “exzellente Beurteilungen” oder auf finanzielle Boni oder war es schlicht Opportunität? Vielleicht ist die Verstrickung der Hochschulen (Subsystem Wissenschaft) mit der Politik (Subsystem Macht) heute weit enger, als zunächst erkennbar ist.


Auffällig ist auch, dass das ZfI einerseits einen breiten Forschungsansatz wählt und andererseits bestimmte Probleme der Integration von Migranten ausblendet, beispielsweise die Frage, wie die “Menschen, die schon länger hier leben”, mit


- der hohen Kriminalitätsrate

- dem vormodernen Frauenbild

- und dem Rassismus arabischer Prägung zurechtkommen, beziehungsweise die Frage, wo und wann sich alle beteiligten Gruppen der Integration verweigern und die Unzumutbarkeit beginnt.


Der Gründungsakt des ZfI fiel nicht von ungefähr in das Jahr der extremen Zuspitzung des Konflikts um Sinn oder Unsinn der Masseneinwanderung. Ein wissenschaftliches Interesse an der facettenreichen sozialen, ökonomischen, kulturellen, politischen und sozialen Problematik von Integration war – in dieser institutionalisierten Form – an der Technischen Universität in den Vorjahren nicht zu erkennen.


Die Gründung des ZfI entsprach primär politischen Erwägungen. Es war und ist die Politik, die dem ZfI den Teppich ausrollt und die entscheidenden Vorgaben macht. Allen Projekten des ZfI liegt wie selbstverständlich die stillschweigende Anerkennung der Leitgedanken von Multikulturalismus, Humanitarismus und Globalismus zugrunde.


Wenn Ministerin Stange zum dreijährigen Bestehen des ZfI von der notwendigen Bereitschaft spricht, “offen für gesellschaftliche Zusammenhänge zu sein”, ist dies eben nicht gleichzusetzen mit einer bedingungslosen Öffnung von Staatsgrenzen und Zuzugsmöglichkeiten und der unhinterfragten Bereitstellung von Haushaltsmitteln für Menschen aus aller Welt. Wer sich wie das ZfI uneingeschränkt auf die Integration von Fremden fokussiert, sieht natürlich das Elend im Bereich des Eigenen nicht. Die dramatisch wachsende Gruppe der von Altersarmut betroffenen Bürger unseres Landes etwa würde nie Gegenstand der Integrationsstudien unserer akademischen Weltretter werden. Solche Aufgaben sind ihnen zu banal. Dieser blinde Fleck in der Weltsicht der anywheres verhindert eine realistische Wahrnehmung der Brisanz sozialer Probleme dieses Landes. In der Klause der Erleuchteten wähnt man sich abgeschirmt von den realen innenpolitischen Stürmen dieser Gesellschaft. Welch ein Irrtum!


Dieses Fazit führt zu der Frage: Was können Geistes- und Sozialwissenschaften bewirken, die sich bereits in ihrem Forschungsansatz dem politisch Gewünschten unterwerfen und die Essenz kritischer Wissenschaft der tagespolitischen Opportunität opfern?


Mit dieser Ausrichtung seiner Arbeit ist das ZfI – bewusst oder unbewusst – Teil staatlicher Ideologieproduktion. Aber wer – um mit Hans Blumenberg zu sprechen – in der Höhle (Ideologie) gefangen ist, nimmt die Höhle irgendwann nicht mehr wahr. Mit handwerklichem Klein-Klein wird der Mythos einer gelingenden Integration inszeniert – und das Wesen wissenschaftlicher Arbeit korrrumpiert. So wie Demokratie zur Farce, zur Demokratiesimulation, degenerieren kann, kann sich auch Wissenschaft in Wissenschaftssimulation auflösen.


Die freiwillige Auflösung von Wissenschaft in Ideologie und Politik kann jedoch nicht gelingen. An seinen selbstgesetzten Aufgaben wird das Zentrum für Integrationsstudien scheitern.




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Über den Autor:


Thomas Küchenmeister hat nach Absolvierung seines 18-monatigen Grundwehrdienstes bei der NVA

von 1971 bis 1977 an der Leipziger Universität Geschichte studiert. Von 1977 bis zur Wende

arbeitete er an der dann abgewickelten Hochschule für Verkehrswesen in Dresden. 1984 wurde er an der Bergakademie Freiberg promoviert.



 

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