Die Forschungsfreiheit als Teil der Wissenschaftsfreiheit zählt zu den bürgerlichen Grundrechten und genießt in Deutschland Verfassungsrang. In Anlehnung an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann unter wissenschaftlicher Forschung eine Tätigkeit verstanden werden, die nach Inhalt und Form als ein ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Wir haben es hier also zweifellos mit einem großen Begriff zu tun, mit vielen Facetten, sichtbaren und eher unsichtbaren. Im Folgenden geht es um zwei miteinander verknüpfte Aspekte dieses Themas: den ebenso offen wie offensiv geführten Feldzug gegen die Publikation von i. w. S. politisch nicht korrekten Forschungsergebnissen und die bereits länger bestehenden Zensurpraktiken, die den Boden für diese aktuelle Zuspitzung bereitet haben.
Wandzeichnungen eines demenzkranken Patienten. Undatiert. CC BY 2.0
Der erste Aspekt berührt einen zentralen Bestandteil des Wissenschaftsbetriebs, das Publikationswesen, dem ja auch eine Art Gatekeeper-Funktion zukommt, denn ohne eine Vielzahl von möglichst hochrangig publizierten Forschungsergebnissen wird es mit der wissenschaftlichen Karriere in der Regel schwierig. Im Bereich der wissenschaftlichen Zeitschriften und, meist weniger relevant, Bücher dominieren drei Verlage den internationalen Markt: Wiley, Elsevier und das mehrheitlich zur Holtzbrinck-Gruppe gehörende Unternehmen Springer Nature mit Sitz in Berlin. Allein zu diesem Verlag gehören 353 konventionelle wissenschaftliche Zeitschriften – u.a. die renommierte Nature-Familie – und knapp 600 sog. fully open access journals, also Internet-Plattformen, die ihre Artikel nach Annahme und gegen Bezahlung durch den Autor bzw. dessen Sponsor rasch und allgemein zugänglich online stellen. Springer Nature hat laut Wikipedia im Jahr 2019 einen Umsatz von 1,7 Mrd. Euro erzielt und gehört damit zu den zehn umsatzstärksten Verlagen weltweit.
Voraussetzung für Annahme und Veröffentlichung eines bei einer wissenschaftlichen Zeitschrift eingereichten Artikels ist bekanntlich ein positives Votum im peer review, bei dem zwei oder auch mehr etablierte Wissenschaftler des entsprechenden Fachgebiets das eingesandte Manuskript hinsichtlich Plausibilität und Relevanz beurteilen und entweder eine Ablehnung oder, nicht selten in Verbindung mit einigen Änderungswünschen, eine Annahme empfehlen. Die Herausgeber folgen dann in aller Regel dieser Empfehlung.
In der im Grenzgebiet von Natur- und Sozialwissenschaften angesiedelten Springer Nature-Zeitschrift „Nature Human Behaviour“ erschien online am 18. August ein äußerst bemerkenswertes Editorial der Hauptherausgeberin, der wissenschaftlich ansonsten nicht sonderlich in Erscheinung getretenen Psycholinguistin Stavroula Kousta, das es in sich hat. Weitere Zeitschriften des Verlages werden sich voraussichtlich diesem Editorial und seinen Forderungen anschließen, so jedenfalls die Ankündigung. Im Kern geht es darum, die Annahme von eingesandten Manuskripten abhängig zu machen von der Erfüllung ideologischer Vorgaben. Im Klartext: Die Zeitschrift wird künftig keine Manuskripte zur Veröffentlichung annehmen, die potentiell denjenigen Individuen oder Gruppen schaden, die Opfer von „Rassismus, Sexismus, Ableismus oder Homophobie“ sein können. Um Missverständnissen vorzubeugen sei darauf hingewiesen, dass es dabei nicht um Teilnehmer an Forschungsvorhaben geht, wie etwa bestimmte Patientenstichproben, sondern immer um Unbeteiligte, die sich durch Fragestellung oder Forschungsergebnisse verletzt oder diskriminiert fühlen könnten.
Es wird zwar konzediert, dass es ein „fundamentales öffentliches Gut sei, Wissen und Verstehen zu fördern“. Wenn aber Würde oder Rechte bestimmter Gruppen verletzt würden oder das Forschungsergebnis „annimmt, dass eine menschliche Gruppe einer anderen allein aufgrund eines sozialen Merkmals über- oder unterlegen ist“, sei das ausreichend, um ethische Bedenken an einer Veröffentlichung zu begründen. Es gelte, „genau abzuwägen zwischen akademischer Freiheit und dem Schutz der Würde und Rechte von Individuen und menschlichen Gruppen“. Deshalb wird den Wissenschaftlern empfohlen, sich vor dem Einreichen ihres Textes Rat einzuholen bei „Ethikern“ oder auch den entsprechenden „Aktivistengruppen“.
Zudem hätten die Autoren in ihren Manuskripten auch zu berücksichtigen, dass es keine „biologischen Rassen“ und ein „Spektrum von Geschlechtsidentitäten“ gebe, die im Editorial dann mehr oder weniger komplett aufgeführt sind und das – darauf wird ohne jede Ironie ausdrücklich hingewiesen – „häufig überprüft werden müsse“. Die Herausgeber behalten es sich ausdrücklich sogar vor, akzeptierte oder bereits veröffentlichte Text wieder zurückzuziehen, wenn es von einschlägiger Seite zu begründeten Beschwerden kommen sollte.
Kurz zusammengefasst: Die Wissenschaft soll nun endgültig und vollständig unter Kuratel einer kulturmarxistischen Ideologie gestellt werden. Konkrete Beispiele für künftig nicht mehr akzeptierte Forschungsresultate werden in dem Editorial wohlweislich nicht genannt. Aber es erscheint unzweifelhaft, dass mit diesen ab sofort gültigen Vorgaben selbst immer wieder bestätigte und als gesichert anzusehende Befunde nicht mehr veröffentlichungsfähig sind – wegen der damit angeblich einhergehenden Diskriminierung bestimmter Gruppen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an die deutliche Überlegenheit von Männern in bestimmten kognitiven Bereichen – v. a. dem räumlichen Vorstellungsvermögen – und der dadurch wesentlich bedingten Überrepräsentierung in bestimmten naturwissenschaftlichen Bereichen, etwa der Physik. Oder an die im Vergleich zu Europa durchschnittlich deutlich niedrigere Intelligenz in Subsahara-Afrika, was wiederum von etlichen Forschern für eine wesentliche Ursache der geringeren wirtschaftlichen Entwicklung angesehen wird. Oder, um ein ganz aktuelles Beispiel zu benennen, Affenpocken-Infektionen, die ganz vorrangig bis ausschließlich homosexuelle promiskuitive Männer betreffen, was einschlägige Aktivisten wahrscheinlich für diskriminierend halten. Bestimmte Themen werden folglich in Zukunft gar nicht erst beforscht werden und bereits vorliegende Erkenntnisse langsam in Vergessenheit geraten. Übrig bleibt, von Fach zu Fach in unterschiedlichem Ausmaß, ein systematisch verzerrtes Abbild der Wirklichkeit.
Eine derart massive Zäsur, wie sie mit einem solchen Editorial gesetzt wird, fällt nicht vom Himmel. Ihre Protagonisten wissen genau, dass der Boden dafür, je nach Wissenschaftsgebiet in unterschiedlichem Ausmaß, in den letzten Jahren oder auch Jahrzehnten systematisch bereitet wurde, indem das Spektrum des Sagbaren oder besser: Förderungs- und Veröffentlichungswürdigen beständig kleiner geworden ist. Ein praktisches Beispiel aus dem persönlichen Erfahrungsschatz des Autors dieser Zeilen soll diese Einschätzung illustrieren.
Bei einer zunächst sehr übersichtlichen privaten Literatur-Recherche auf dem Gebiet der Psychiatrie – zu einem speziellen Aspekt der Schizophrenie – fiel mir eine ungewöhnliche Forschungsleerstelle der folgenden Art auf: Für diese Krankheit ist unbestritten, dass das Erkrankungsrisiko stark erhöht ist, wenn Risikofaktor a oder b vorliegt. So weit, so gut. Nur stolperte ich darüber, dass diese beiden Risikofaktoren, obwohl eng miteinander verbunden, noch nie gemeinsam analysiert wurden. Im Grundsatz wäre das in etwa so, als wenn sich noch niemand die Mühe gemacht hätte zu erforschen, ob nun das Rauchen oder die soziale Schichtzugehörigkeit der wesentliche Treiber von bestimmten Lungenerkrankungen ist. Es ist natürlich ganz überwiegend oder auch ausschließlich das Rauchen, das in unteren Schichten eben nur häufiger betrieben wird.
Nennt man das Kind beim Namen, wird schnell klar, warum bei der Schizophrenie die Forschung ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat, denn bei den Risikofaktoren a und b handelt es sich zum einen um den Status als Flüchtling oder Migrant und zum anderen um die Intelligenz. Die Leistungen in Intelligenztests, in denen es u. a. um Denkfähigkeit, räumliches Vorstellungsvermögen und Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit geht, werden üblicherweise als Intelligenz-Quotienten (IQ) – mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung von 15 – angegeben. Eine methodisch sehr ausgefeilte Studie an mehr als einer Million schwedischer junger Männer konnte die bis dahin vorliegenden Ergebnisse überzeugend bestätigen: Jeder IQ-Punkt weniger erhöht das Schizophrenie-Erkrankungsrisiko um 3,8%. Bereits eine gerade noch im unteren Durchschnittsbereich angesiedelte Person (IQ 86) hat im Vergleich zu einer im oberen (IQ 114) also ein etwa doppelt so hohes Erkrankungsrisiko.
Nun fallen die nationalen IQs der typischen Herkunftsländer von Migranten, die in den letzten Jahren den Weg nach Deutschland gefunden haben, meist noch deutlich niedriger aus. Hier einige sehr fundierte Schätzungen solcher nationalen IQs: Irak 89, Pakistan 80, Gaza 78, Syrien 74, Somalia 68, Nigeria 68, Marokko 67, Mali 60. Migranten der zweiten Generation zeigen einen leichten IQ-Anstieg, vorrangig bedingt durch bessere Ernährung, medizinische Versorgung und Bildung.
Alle Studien, die in West-Europa oder Kanada nach der Schizophrenie-Häufigkeit bei Flüchtlingen oder Migranten geforscht haben, kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis eines etwa zwei bis fünffach erhöhten Schizophrenie-Risikos bei verschiedenen Migrantenpopulationen. Diejenigen aus Subsahara-Afrika weisen meist die höchsten Erkrankungsraten auf, Migranten der ersten Generation höhere als die der zweiten. Die überwiegend „handverlesenen“ Migranten in Kanada erkranken allerdings deutlich seltener an Schizophrenie als die einheimische Bevölkerung.
Was läge also näher als die Hypothese, dass die hohe Erkrankungsrate von Migranten wesentlich auch auf deren im Mittel niedrigere Intelligenz zurückzuführen ist? Diesem sich geradezu aufdrängenden und zudem Erfolg versprechenden Forschungsansatz wird aber in der Wissenschaft nicht nachgegangen, er ist ganz offensichtlich tabuisiert. Das höchste der Gefühle ist ein Platz von (niedriger) Intelligenz in einer langen Liste von mehr oder weniger gesicherten Risikofaktoren in einschlägigen Übersichtsartikeln.
Die Schizophrenie als eine in den meisten Fällen schwere psychische Störung mit allerdings durchaus unterschiedlichen Verlaufsformen kommt weltweit mit einer ganz ähnlichen Lebenszeit-Prävalenz von etwa 0,7% vor, ohne stärkere ethnische oder Geschlechtsunterschiede. Etwa jeder 140. Erdenbürger wird folglich im Laufe seines Lebens erkranken. Trotz großer Forschungsanstrengungen und auch Erfolgen liegen die verschiedenen Ursachen der Schizophrenie und vor allem deren Zusammenspiel zum Teil immer noch im Dunkeln. Gesichert sind genetische Faktoren als bedeutsamste Krankheitsdisposition, ferner u. a. spezielle medizinische Probleme während der Schwangerschaft, aber auch bestimmte psychosoziale Belastungen, was möglicherweise die Beobachtung erklärt, dass ein Aufwachsen unter städtischen Bedingungen mit einem größeren Erkrankungsrisiko einhergeht.
Unterstellt, dass sich von den Migranten nicht ganz überwiegend diejenigen auf den Weg machen, die auch in ihrer Heimat erkrankt wären, muss es angesichts des weltweit weitgehend identischen Schizophrenie-Risikos folglich wesentlich mit den Umständen zu tun haben, die mit dem Leben im neuen Gastland verknüpft sind: andere Kultur und Sprache, anderes Klima und Arbeitsethos sowie Verlust des Bekannten und Vertrauten.
Wie gut ein Migrant oder Flüchtling in der neuen Gesellschaft zurechtkommt, ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (auch) abhängig vom IQ. Denn die Intelligenz, als ein zwischen den Menschen sehr unterschiedlich ausgeprägtes Merkmal, hat sich kulturübergreifend als außerordentlich starker und konsistenter Prädiktor für zahlreiche Meilensteine und Ereignisse des Lebens bewährt, z. B. für den erreichten Schulabschluss, die Höhe des späteren Einkommens, die Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen Verkehrsunfall, eine Ehescheidung oder auch, im Gefängnis oder in der Armut zu landen.
Eine gut begründete Hypothese für das erhöhte Schizophrenie-Risiko wäre, dass eine eher schwach ausgeprägte Disposition für Schizophrenie bei Migranten, die in der alten Heimat bzw. der gewohnten Umgebung für einen Krankheitsausbruch meist nicht ausgereicht hätte, in der neuen Umgebung mit all ihren Herausforderungen durch den jetzt vergleichsweise (sehr) niedrigen IQ „scharf gestellt“ wird.
Was also lag näher, als den Versuch zu unternehmen, die Fachdiskussion zu beleben, nämlich in einer psychiatrischen Fachzeitschrift sachlich und fundiert auf die bisher nicht ausreichend gewürdigte Rolle der Intelligenz in Bezug auf das Schizophrenie-Risiko von Migranten hinzuweisen und behutsam Besserung anzumahnen. Dabei war mir natürlich bekannt, dass in den tonangebenden wissenschaftlichen Milieus der gegenwärtigen Psychiatrie, aber auch in weiten Teilen der Psychologie, Intelligenz und IQ nicht wohl gelitten sind, um es zurückhaltend zu formulieren. Nach meiner Einschätzung nimmt dieses Wissenschaftsmilieu dem IQ schlicht übel, zu stark angeboren und gleichzeitig zu gering durch positive Umwelteinflüsse veränderbar zu sein und damit den Gleichheits- und Gerechtigkeitsgedanken fahrlässig zu torpedieren, ferner der Diskriminierung Tür und Tor zu öffnen und schließlich auch noch auf die (durchschnittliche) intellektuelle Überlegenheit bestimmter Ethnien oder Nationen hinzuweisen.
Nach einiger Bedenkzeit entschloss ich mich, die internationale Diskussion durch einen Artikel in einer englischsprachigen psychiatrischen Fachzeitschrift zu befruchten. Angesichts der ja nicht übermäßig großen Aussicht auf Annahme des Manuskripts besser nicht in Form einer sehr arbeitsintensiven umfassenden Literatur-Übersicht mit vielleicht 250 Literaturangaben, sondern auf kleinem, aber solidem Fundament.
Erster Adressat war eine kleine, recht unbedeutende, aber englischsprachige Schweizer Zeitschrift, der ich offenbar unbewusst Neutralität zum Thema unterstellt hatte. Nach knapp zwei Wochen kam die Rückmeldung in Form einer lapidaren Mitteilung, dass mein Manuskript es im Ranking der eingesandten Arbeiten leider nicht bis auf die Veröffentlichungsplätze geschafft habe.
Das weckte noch einmal meinen Ehrgeiz im Hinblick auf einen zweiten Versuch. Der noch einmal deutlich verbesserte Text ging nun an eine Online-Zeitschrift, deren verantwortlicher Herausgeber Direktor einer Norddeutschen Psychiatrischen Uniklinik ist. Der Vorteil dieses Mediums ist, dass die Arbeit kurz nach Annahme frei im Internet verfügbar ist. Das lässt der Verlag sich natürlich bezahlen. In meinem Fall wären 1.850 US $ fällig gewesen. Die habe ich allerdings gespart, weil bereits eine Woche nach dem Einreichen die Ablehnung eintraf. Insbesondere, so die Begründung, habe man Bedenken gegenüber der zitierten Literatur zu den nationalen IQs der Herkunftsländer der Migranten und der kulturellen Validität von anglo-amerikanischen kognitiven Tests. Der erste Kritikpunkt ist schlicht substanzlos. Er bezieht sich nämlich auf das geradezu epochale Werk von Richard Lynn, der (u. a.) die nationalen IQs dieser Welt auf Grundlage von 500 Studien ebenso akribisch wie fachlich überzeugend zusammengetragen, hinsichtlich ihrer Validität analysiert und – hier nicht von Interesse – in einen hoch interessanten, evolutionären Kontext gestellt hat. Würde die Thematik, an der dieser herausragende Wissenschaftler seit mehr als fünf Jahrzehnten arbeitet, nicht immer wieder die Grenze zur politischen Korrektheit überschreiten, wäre er wahrscheinlich längst ein Kandidat für den Nobelpreis.
Das zweite Argument, die angeblich nicht vorhandene kulturelle Validität von Intelligenztests, betrifft die Frage, ob Testunterschiede zwischen verschiedenen Nationen auch wirklich Unterschiede in kognitiven Fähigkeiten abbilden oder eher irgendwelche anderen, kulturell bedingten Differenzen. Die Frage ist, u. a. von Lynn, längst beantwortet, denn nationale IQs korrelieren weltweit sehr hoch (ca. 0.90) mit den Ergebnissen nationaler Schulleistungstests, erklären also etwa 80 % der Varianz von z. B. Pisa-Tests.
Schließlich unternahm ich noch einen dritten und letzten Versuch, bei der Zeitschrift Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology. Nach den beiden Fehlschlägen erschien es mir aber sinnvoll, zunächst kollegialen Rat zu suchen. Das Gespräch mit einem – ungleich stärker leidgeprüften – Kollegen führte zu einer nicht unwesentlichen Änderung des Textes, da er mich auf ein brandneues Forschungsinstrument als Ersatz für den IQ aufmerksam machte.
Mein Ziel war es nun, in der Sache standhaft zu bleiben, aber die Triggerbegriffe „Intelligenz“ oder „IQ“ weitgehend zu vermeiden. Auch erkannte ich an, dass die Wissenschaftler auf dem hier interessierenden Gebiet ganz offensichtlich Bedenken gegen den IQ hätten, was sie allerdings weder benennen noch begründen würden. Wahrscheinlich wären es aber Zweifel an der kulturellen Validität, die ich zwar nicht teile, aber zu akzeptieren bereit wäre.
Glücklicherweise, so meine neue Argumentationslinie, existiert seit Kurzem ein für die internationale Forschungsgemeinde problemlos zugänglicher, so gut wie weltweiter, zudem nach Geschlechtern getrennter Datensatz zu den nationalen kognitiven Fähigkeiten. Im Wesentlichen basiert der auf Schulleistungstests, u. a. dem PISA-Verfahren – erarbeitet von einer Projektgruppe der Weltbank. Damit bestünde nun die Möglichkeit, ohne Rückgriff auf den IQ, die durchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten eines Landes auch in die Forschung zum erhöhten Schizophrenie-Risiko von Migranten mit einzubeziehen. Nicht erwähnte ich, dass natürlich auch dieses Forschungsinstrument der Weltbank in der bekannten Höhe mit den nationalen IQs korreliert, wie erste informelle Datenanalysen zeigen konnten.
Wie reagierte nun die Zeitschrift, bei der nach eigenen Angaben die erste Stellungnahme im Mittel bereits 18 Tage nach Einreichen des Manuskripts erfolgt? Nachdem stolze 100 Tage vergangen waren, ohne dass mir eine Entscheidung mitgeteilt worden wäre, zwei Anfragen ohne jede Resonanz geblieben waren und die dritte dann dahingehend beantwortet wurde, dass ich selbstverständlich ordnungsgemäß benachrichtigt werde, sobald alle Reviews vorlägen, zog ich die Arbeit schließlich zurück.
Natürlich lagen die Stellungnahmen der Reviewer längst vor. Irgendjemand, wahrscheinlich der Herausgeber, hat dann wohl entschieden, dass das Manuskript weder veröffentlicht wird noch dem Autor die Gründe für die Ablehnung mitgeteilt werden. Dazu hätte es allerdings auch einer neuen Argumentation dafür bedurft, warum die kognitiven Leistungen von Migranten nicht erwähnt, geschweige denn analysiert werden sollen oder dürfen. Die Standardabsage mit dem Hinweis auf fehlende kulturelle Validität etc. kam angesichts des neuen Datensatzes der Weltbank hier ja nicht mehr in Betracht. Da hatte wohl jemand ganz offensichtlich keine Lust, sich kreativ zu betätigen und eine neue Ausrede auszudenken.
Vielleicht auch deshalb, weil die Zeitschrift es für unwahrscheinlich hält, dass jemand noch einmal einen solchen Versuch unternimmt, der Wahrheit bei diesem Thema ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, und damit nicht der Mühe wert, sich den Kopf über irgendwelche Ausreden zu zerbrechen. Vielleicht war dem Herausgeber der ebenfalls zu Springer Nature gehörenden Zeitschrift auch bereits bekannt, dass es in Bälde nur noch des Verweises auf die ethischen Richtlinien des Verlages bedarf, um nicht genehme Themen und Ergebnisse fern zu halten. Passend dazu findet sich in einem gehobenen deutschen Standardlehrbuch der Psychiatrie (725 Seiten!) – ebenfalls von Springer Nature – im Kapitel „Schizophrenie“ weder ein Eintrag zu Migrant oder Migration noch zu Intelligenz oder IQ. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt auch deshalb bedauerlich, weil die psychiatrische Forschung sich damit einer äußerst aussichtsreichen Möglichkeit beraubt, den Beitrag psychosozialer Faktoren an der Schizophrenie-Entstehung samt möglicher präventiver oder therapeutischer Perspektiven weiter aufzuklären. Stattdessen erfreut sich die Beschäftigung mit dem möglichen Risikofaktor Diskriminierung bei den Forschern großer Beliebtheit. Wobei allerdings völlig ungeklärt ist, ob subjektiv wahrgenommene oder behauptete Diskriminierung tatsächlich unabhängig vom Intelligenzniveau ist.
Der im Text erwähnte Artikel von Wolfgang Meins zum Thema Migration und Schizophrenie samt Literaturangaben findet sich hier.
Über den Autor: Wolfgang Meins, geb. 1950, studierte Psychologie und Medizin in Hamburg. Weiterbildung zum Arzt für Psychiatrie und Neurologie. Habilitation und Professor (apl.) an der Universität Hamburg. Nach leitender Tätigkeit in der Geriatrie Niederlassung in spezialisierter Privatpraxis. In den letzten Jahren, langsam ausklingend, ausschließlich als psychiatrischer Gutachter im Bereich des Zivilrechts tätig.
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