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Thomas Hartung: DER FALL AXEL KRAUSE

Aktualisiert: 2. Juli 2019

Hoch her und schnell kann es gehen in Zeiten wie diesen, da sich, wie der geschlossen zurückgetretene Vorstand der 'Leipziger Jahresausstellung e.V.' bekennt und bemängelt, politische Neutralität als unmöglich erweist: Axel Krause, bis vor kurzem bloß und insbesondere als Maler in aller Munde, ist nach der vollständigen Absage der 26. Jahresausstellung endgültig zur 'Causa' geworden: zum Fall jemandes, der durch privat vorgebrachte politische Farbbekenntnisse im Alleingang die prestigeträchtigste Kunstmesse seiner Heimatstadt 'sprengte'. Über den bedeutenden Repräsentanten der Neuen Leipziger Schule, der mit 21 Werken samt bedächtigem Kurzessay über 'Die Idee vom Bild' in der aktuellen Sommer-Ausgabe von TUMULT vertreten ist, berichtet und befindet für unseren Blog der Dresdner Journalist Thomas Hartung.



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Die Ausstellung ist heterogen in künstlerischen Positionen, es geht um Künstler und nur ganz hinten dran, das kann man nie ausblenden, um Personen, aber es geht um Kunst. Die Bilder von Krause sind unverfänglich, haben nichts mit Politik zu tun, aber ich glaube, das interessiert nicht.“

Mit diesen Worten bringt der Vorstandsvorsitzende des „Leipziger Jahresausstellung e.V.“, Rainer Schade, im DLF ein bundesweit einmaliges Ereignis auf den Punkt: den Protest gegen die Teilnahme des Malers Axel Krause an einer Ausstellung, zu der er demokratisch legitimiert wurde.

Dieser Protest hatte Ende Mai in der öffentlichkeitswirksam zelebrierten Absage mehrerer Künstler für den Fall gegipfelt, dass Krause tatsächlich ausstellen sollte. Der 61-jährige Hallenser hatte ein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst HGB in Leipzig unter anderem bei Arno Rink absolviert, bei dem schon Neo Rauch Meisterschüler war, und gilt neben diesem als einer der exponiertesten Künstler der sogenannten Neuen Leipziger Schule, dessen Name auch im Ausland für hohe künstlerische Qualität steht. Er sorgte bereits im Sommer 2018 für Schlagzeilen, als ihm Christian Seyde, der Verantwortliche der Galerie Kleindienst in Leipzig, in dürren Worten die Zusammenarbeit aufkündigte.


Krauses Vergehen: in einem Facebook-Statement hatte er die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung sowie die einengenden Meinungskorridore kritisiert, die ihn an DDR-Zeiten erinnern: „Ich halte die illegale Masseneinwanderung für einen großen Fehler und die AfD für ein zu begrüßendes Korrektiv im maroden Politikbetrieb. Das scheint ausreichend für ein Ende nach 14 Jahren Miteinander”, sagte er dem Kulturmagazin anbruch. Zudem sitzt er im Kuratorium der AfD-nahen Erasmus-Stiftung. Für Schade war das kein Problem: „Wir stellen nicht die AfD und ihre Meinungen aus und vertreten auch nicht das, was sie machen würden. Wir stellen Bilder aus.“


Er verweist auf den Prozess der Künstlerauswahl durch den Verein. Jedes der 120 Mitglieder kann bis zu fünf Vorschläge für die Gruppenschau einreichen. Wer wen vorschlägt, bleibt anonym. Daraufhin werde durch eine Kommission aus Vereins- und Vorstandsmitgliedern sowie Gästen abgestimmt. „Was wissen wir von anderen Künstlern, die ebenfalls in der Liste sind, was diese privat oder politisch tun? Es gibt ja nicht nur das rechte Spektrum. Wir können nicht die Gesinnung unserer Künstler recherchieren, um zu schauen, ob sie ausstellungswürdig sind“, sagte er in der Süddeutschen Zeitung.



„Das funktioniert einfach nicht“


Und genau das wurde zum Problem. Er habe die Einladung an Krause sofort als Affront gegen Kleindienst und letztlich auch gegen die auf dem Gelände ansässigen Galerien verstanden, erklärt Galerist Jochen Hempel, der die gleichnamige Galerie auf dem Gelände der Baumwollspinnerei betreibt, wo auch die Jahresausstellung stattfinden sollte, im Monopol-Magazin: „Wir alle haben uns im vergangenen August mit der Entscheidung von Kleindienst solidarisiert.“ Und erklärt dann ernsthaft: „Der Verein hätte viel eher reagieren müssen und hat sich zu lange auf seine Satzung und das demokratische Auswahlverfahren bezogen. De facto hätte es Axel Krause als künstlerische Position für die Ausstellung nicht gebraucht. Das Problem ist und bleibt, dass eine einfache Mehrheit der Jury für ihn gestimmt hat. Das war und ist eine deutliche Provokation…“


Dieses Demokratieverständnis rief nicht etwa einen Sturm der Entrüstung hervor, sondern wurde im Gegenteil von anderen Künstlern bekräftigt. So von Daniel Krüger, der im DLF die Trennung von Werk und Künstler für nicht haltbar erklärte, denn „wenn man sich im Vorfeld politisch äußert, ist auch immer das Kunstwerk so rezipiert auf die Haltung des Künstlers.“ Von wem das Kunstwerk „so rezipiert“ werde, verrät er nicht. Und auch von Felix Leffrank, der im DLF ebenfalls über seinen Begriff von Kunst und ihrer Qualität sinnieren durfte: „Das finde ich den schwierigsten Begriff in der Debatte. Das geht zurück auf das autonome Kunstwerk, das unabhängig vom Autor an sich Qualität beanspruchen kann. Das funktioniert einfach nicht.“ Warum dies nicht funktioniere, behält er für sich. Schließlich entblödete sich auch die sattsam bekannte Amadeu Antonio Stiftung nicht, die täglich rigidere Einschränkung der Meinungsfreiheit als Manifestation derselben dingfest zu machen: „Dass es Ausdruck der Meinungsfreiheit sein kann, Krause und Co. kein Podium zu bieten, hätte in Betracht gezogen werden müssen.“


Das ist kein Witz, sondern führt die moralisierende Diskussion zur Emil-Nolde-Ausstellung fort, wonach es gute und böse, weltanschaulich begrüßenswerte und andererseits schleunigst zu verabschiedende, da nationalsozialistische Blumen gebe. Getreu dieser Wahrnehmung fühlten sich die protestierenden Künstler „unter Druck gesetzt, weil der mediale Rummel um die Person, um die politische Haltung von dem Beteiligten, für alle schwierig zu tragen ist und letztlich dieser Druck dafür sorgt, dass wir uns selbst positionieren müssen. Das ist eigentlich nicht unsere Aufgabe. Die Verantwortung liegt bei den Veranstaltern." Leffrank wiederum meinte auf ein Gespräch mit Krause verzichten zu können und produzierte stattdessen ein Video mit dem Titel „Schlechte Gesellschaft“, das einen Maler zeigt, der in der Isolation den Verstand verliert.


„Was an diesem Beispiel deutlich wird ist, dass nicht der Staat, sondern die brav dem Zeitgeist huldigende Kunstschickeria das Zepter gegen unliebsame Querulanten aus den eigenen Reihen in der Hand hält. Was hier vor sich geht, ist vorauseilender Gehorsam und interne Disziplinierung statt inhaltlicher Auseinandersetzung“, ärgert sich Oliver Niehaus auf anbruch. Er konstatiert bitter:


„Das Gros der Kunstschaffenden in unserer sanften Meinungsdiktatur hat weder Rückgrat noch Mut, ist käuflich, manipulier- und korrumpierbar. Die mit einem Schulterzucken hingenommene oder gar beklatschte öffentliche Unmöglichmachung sind Wasserstandsmeldungen in einer sich täglich verschärfenden Debatte und reichen weit über den politischen Raum hinaus.“

Der Wiener Neurologe und Psychotherapeut Raphael M. Bonelli warnt in einem Interview mit dem Kirchenmagazin idea inzwischen gar vor einem „moralischen Narzissmus“ in Politik und Medien. Der Bestsellerautor definiert einen „moralischen Narziss“ als jemanden, der seine Weltanschauung dermaßen idealisiert, „dass sie für ihn immer mehr zur einzig möglichen Meinung, ja zur Wahrheit schlechthin wird“. Dadurch werde eine solche Person „dialog- und kompromissunfähig“. Sie sehe sich als moralisch gut, über jeden Zweifel erhaben und verdränge jegliches persönliches Fehlverhalten, so Bonelli. Ein weiteres Kriterium für einen moralischen Narziss sei die Abwertung: „Er ist empört über andere Meinungen, kann es gar nicht fassen, dass jemand so und so denken kann – und vergisst dabei die Grundlage der Demokratie.“



„Nicht mehr die Kunst vom Künstler trennen“


Dass es auch anders geht, zeigt die Galeristin Friederike Sehmsdorf, die in Potsdam den Maler ausstellt. „Ich frage einen Künstler nicht nach seinem Parteiabzeichen. Meine Galerie ist kein politisches, sondern ein kunsthistorisches Statement, und die Meinungsfreiheit wird im Grundgesetz geregelt“, ließ Sehmsdorf in den Potsdamer Neuesten Nachrichten wissen. Sie stelle gute Kunst aus „und keine politischen Haltungen“, legte sie im RBB nach. Sie wähle ihre „Künstler in Bezug auf ihr Können und menschliche Loyalität“ und frage „niemanden nach seiner Religion“. Sie interessiere vor allem Krauses isolationistisches Geschlechterverhältnis, denn eine Entfremdung, ein Nicht-zueinander-Finden, eine Umkehrung von Männer- und Frauenrolle, wie sie sich auf seinen Bildern finde, das seien Zeitsymptome, die auch in der gesellschaftlichen Diskussion eine Rolle spielten.

Im März hatte Krause auch in Frankfurt ausgestellt, sein „Puppenhaus“ hängt inzwischen im Bundestag.


Doch der medial befeuerte Druck gerade in Sachsen wuchs dessen ungeachtet. Selbst die Süddeutsche Zeitung berichtete über einen nichtöffentlichen (!) Brief teilnehmender Künstler an Schade, in dem sie vor einem „politischen Statement“ warnten: „Die Möglichkeit besteht“, so die Künstler, dass „eine Ausstellungseinladung als Zeichen Ihrer (und unserer) Solidarität dargestellt wird.“ Letztlich wurde der Druck so stark, dass der Verein, leider auf unkluge Weise, kapitulierte. Am 31. Mai schloss der Vorstand erst Krause von der Teilnahme aus, weil seine öffentlichen Äußerungen „den ethischen Grundsätzen unseres Vereins“ widersprächen: „Wir können an dieser Stelle nicht mehr die Kunst vom Künstler trennen. Die Ereignisse der letzten Tage haben uns die politischen Dimensionen der Auswahl der Bilder Axel Krauses vor Augen geführt.“


Zugleich trat der Vorstand zurück und sagte am 1. Juni die 26. Leipziger Jahresausstellung vollständig ab, die vor dem Ersten Weltkrieg ursprünglich von Max Klinger und anderen Leipziger Künstlern gegründet und 1992 wiederbelebt worden war. Die Begründung dafür:


„Die Ereignisse der letzten Tage haben zu dieser Entscheidung geführt. Der komplett ehrenamtlich arbeitende Verein sieht sich nicht in der Lage, einen Veranstaltungsablauf wie in den vergangenen 25 Jahren zu gewährleisten. Zudem ist Vereinsmitgliedern, ausstellenden Künstlern, Förderern und Besuchern die insbesondere in den letzten beiden Tagen stark politisierte und aufgeheizte Situation nicht zuzumuten“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Politische Neutralität erweist sich in diesen Zeiten als unmöglich.“

Schade und sein Vorstand haben damit einen Kotau vor dem jakobinischen Kunstwächterrat der Messestadt vollzogen. Wer Axel Krause ausschließt, dann aus Feigheit vor den Konsequenzen dieses Ausschlusses zurücktritt und die Ausstellung absagt, beschädigt das Ansehen der Jahresausstellung, der Stadt Leipzig, der Kunstszene Sachsens und nicht zuletzt der Demokratie. Das ist unwürdig und bestätigt einmal mehr nicht allein die AfD, sondern alle, die vor linken Einschränkungen der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit warnen. Krause selbst hatte bereits 2018 gegenüber anbruch zu bedenken gegeben, dass der Künstler unfreier werde.



„Volle Solidarität!“


Mit diesem Vorgang setzt sich eine missliche Reihe fort, die nicht erst mit der Tilgung des Gomringer-Gedichts „avenidas“ von der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin begann und in die aktuell auch die parallele Besetzung der Bibliothek der Dresdner Hochschule für Bildende Künste HfbK fällt, deren Leiterin Barbara Lenk für die AfD Meißen zum Kreistag kandidierte. Wenn gesinnungseifrige Kunststudenten fordern, dass Lenk umgehend ihre Arbeitsstelle an der HfBK oder ihre Aktivitäten im Zusammenhang mit der AfD aufzugeben habe, dann finden auch in diesem Fall Methoden Anwendung, die man seit 70, spätestens aber seit 30 Jahren für historisch ausrangiert gehalten hätte. Dass hier eine ihrerseits Parteilose betroffen ist, die bisher noch nicht einmal gewählt wurde, macht den Vorgang umso unbegreiflicher.


Die SPD änderte für das inzwischen parteilose Ex-CDU-Mitglied Frank Richter sogar die Parteisatzung, um ihn auf einen aussichtsreichen Landtags-Listenplatz zu hieven – diese Partei denkt über Enteignungen nach und hat kein Problem mit Antifa-Kooperationen. Andererseits wird das politische Engagement einer unbescholtenen Bürgerin für eine demokratische Partei, die in der Wählergunst inzwischen an der SPD mit Schwung vorbeigezogen ist, zu einer existenzbedrohenden Angelegenheit. Dass sich Rektor, Kanzler und Bibliothekskommissarin hinter Lenk stellten, tröstet dabei wenig.


All diese Vorgänge lassen deutlich werden, wie sehr linksgrüne Umerziehung und neosozialistisches Moraldiktat in diesem Land inzwischen die Freiheit der Kunst, der Kultur und auch der Wissenschaft beeinträchtigen. Twitter-Kommentare wie „Solidarische Grüße aus Leipzig!“ oder „Volle Solidarität! Danke für Euren Mut“ sowie die Kritik an der HfbK-Leitung lassen für die geistige Zukunft nicht nur des Freistaats Sachsen das Schlimmste befürchten. Landesspezifische Umfrage-Ergebnisse sowie das sächsische Resultat der jüngsten EU-Wahl hingegen könnten zur Hoffnung Anlass geben.




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© Jan Scharf




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Über den Autor:


Thomas Hartung, geb. 1962 in Erfurt; promovierte nach seinem Lehramtsstudium in Magdeburg 1992 zur deutschen Gegenwartsliteratur und war danach als Radio- und Fernseh-Journalist in Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie als freiberuflicher Dozent für Medienproduktion und Medienwissenschaft an vielen Hochschulen Deutschlands tätig; der bekennende „Erzliberalkonservative“ trat als Student in die LDPD ein und 1990 aus der FDP aus: von „misslungener Einheit“ nicht nur mit Blick auf die Parteienfusion spricht er bis heute; Hartung war im April 2013 Mitbegründer der AfD Sachsen und wurde zweimal zum Landesvize gewählt. Als Presse- und PR-Chef verantwortete er alle Publikate von der Pressemitteilung bis zum Fernsehspot und damit auch maßgeblich den Landtags- und vor allem den Bundestagseinzug des Landesverbands als stärkste Kraft vor der CDU. 


 

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