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Baal Müller: MAX KRÄHT GEGEN REMIGRATION

  • 24. Juni
  • 11 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 24. Juli

Ein ungewöhnliches Lob war kürzlich in der „Zeit“ über die AfD und ihr intellektuelles Vorfeld zu lesen: „Die radikale Rechte ist heute der Ort, an dem am lebhaftesten über Politik diskutiert wird.“

Dies ist für uns allerdings kein „trauriger“, sondern ein erfreulicher – wenn auch der politischen Dauerkrise unseres Landes und dem Verfolgungsdruck, dem die Rechte ausgesetzt ist, geschuldeter – Befund, und auch nicht erst „heute“ der Fall, sondern schon seit Jahrzehnten. Nur fällt es „Zeit“-Schreiberlingen erst neuerdings auf, seitdem sich die AfD bundesweit bei deutlich mehr als 20 Prozent bewegt.

 

Gleichwohl kommt dem Gespräch zwischen dem Verleger Götz Kubitschek und dem AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah, das vor knapp zwei Wochen im „Kanal Schnellroda“ veröffentlicht wurde und den unverhohlenen Neid der „Zeit“ erregte, eine besondere Bedeutung zu, da es Stellung, Programmatik und zentrale Aufgabe der AfD sehr grundsätzlich behandelt.


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„Passen Sie sich der Fließrichtung der Partei an, Herr Krah?“, fragt Kubitschek mit deutlicher Irritation über Krahs erstaunliche, in verschiedenen Interviews, Beiträgen auf X und sogar gegenüber dem der Lüge bezüglich des „Potsdamer Geheimtreffens“ überführten Denunziantenportal „Correctiv“ zum Ausdruck gebrachte Abkehr vom bisherigen Remigrationsbegriff. Man müsse zuweilen seine Strategie überprüfen und an veränderte Rahmenbedingungen anpassen, erklärt Krah gewohnt wortreich. Wenn man bundesweit 30 Prozent anpeilen und mittelfristig Regierungsgewalt übernehmen wolle, müsse man „genau definieren“, was man mit „Remigration“ meine. Der Gegner habe „intellektuell aufgerüstet“ und schlage uns immer wieder die Unterscheidung zwischen Ethnos und Demos um die Ohren. Insbesondere unterstelle er der Rechten, sie würde unter „Remigration“ ein ethnisches und kein juristisches Programm verstehen. Nach diesem hätten womöglich auch Staatsbürger mit Migrationshintergrund das Land zu verlassen, wenn sie in den Augen rechter Homogenitätswahrer nicht genug integriert seien. Um diesem Vorwurf zu begegnen, müsse man präzise zwischen dem deutschen Volk als Kultur- und Abstammungsgemeinschaft und dem Staatsvolk als der Gesamtheit der Staatsbürger unterscheiden. Zur Erläuterung dieser Differenz bemüht Krah die Sorben, die als nationale Minderheit anerkannt und geschützt, aber selbstverständlich zu hundert Prozent deutsche Staatsbürger seien. Das Beispiel ist nicht falsch, geht aber an der Lebenswelt unserer Städte völlig vorbei, da das seit Jahrhunderten germanisierte, nur noch linguistisch sowie anhand von Volksbräuchen und Trachten von der deutschen Mehrheitsgesellschaft unterscheidbare slawische Völkchen keine Integrationsprobleme bereitet. Zudem ist es in der Lausitz autochthon ansässig und hat jedes Recht, dort in seiner – leider weitgehend „musealisierten“ – Existenzform zu leben.


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Kubitschek widerspricht Krahs Vorwürfen deutlich: Kein maßgeblicher, seriöser Publizist der Neuen Rechten und kein AfD-Politiker habe je gefordert, Staatsbürger erster und zweiter Klasse zu unterscheiden oder letzteren aufgrund ethnischer – oder gar, wie in der Mainstream-Presse zuweilen böswillig behauptet, „rassischer“ – Kriterien die Staatsbürgerschaft grundgesetzwidrig zu entziehen. Die legitimen Ziele seien hingegen die Verschärfung von Einwanderungs- und Einbürgerungskriterien, die Rückführung nach 2015 illegal ins Land geströmter Migranten, die Durchsetzung der geltenden Asylgesetze, die kein Recht auf einen Daueraufenthalt oder gar den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft begründen, und die Rückführung krimineller oder nicht integrationsfähiger Ausländer in ihre Herkunftsländer.


Zu einer Einigung oder wenigstens der gewünschten eindeutigen Präzisierung ihrer unterschiedlichen Standpunkte kommt es nicht, doch wenigstens soviel lässt sich feststellen:

 

Remigration kennt Grenzen


Krah kritisiert das rechte Remigrationskonzept zunächst auf einer juristischen Ebene. Wiederholt verweist er auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 13. Mai 2024 zur Rechtmäßigkeit der Beobachtung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und benennt drei dort aufgestellte und unbedingt zu beachtende Prinzipien: die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, den Verzicht auf eine pauschale, die Religionsfreiheit missachtende Islamfeindschaft und die grundsätzliche Akzeptanz des Staates anstatt einer libertären Staatsfeindschaft. Offenbar baut er dabei einen dreifachen Pappkameraden auf, da diese Prinzipien von keinem relevanten Akteur zur Disposition gestellt werden. Im Gegenteil stellte der maßgebliche Theoretiker der Remigration Martin Sellner unmissverständlich klar: „Eine alternative Remigrationspolitik schlägt nicht vor, Staatsbürger willkürlich ungleich zu behandeln. Keinesfalls sollen auf kultureller, religiöser oder ethnischer Basis Staatsbürgerschaften entzogen werden. Es darf und wird auch keine Staatsbürger zweiter Klasse geben. Solche Maßnahmen sind nicht nur juristisch untragbar, da sie mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Sie würden die Rechtstreue und das Vertrauen in die Isonomie, die Gleichheit vor dem Gesetz, unheilbar zerrütten." Es kann also nur darum gehen, Asylmissbrauch zu beenden, kriminelle und integrationsunwillige Ausländer abzuschieben, das Verschleudern des deutschen Passes zu beenden und Anreize zur freiwilligen Remigration – etwa durch finanzielle Unterstützung, aber auch durch gesetzeskonformen Assimilationsdruck – zu schaffen.

 

Darüber hinaus weist Krah den Leitgedanken einer sehr weitgehenden Remigration illegaler Einwanderer auch als politisches Programm zurück, da er es für utopisch hält: Man werde all die seit Merkels verhängnisvoller Grenzöffnung unrechtmäßig ins Land Geströmten nicht mehr herausbekommen und müsse sich mit den Verhältnissen arrangieren. Zwar solle man die Grenzen so bald wie möglich für illegale Einwanderer schließen, aber eine Wiederherstellung des Status quo vor 2015 sei irreal. Ein realistisches Ziel für die Zukunft sei stattdessen ein multiethnischer Staat, in dem der deutschen Leitkultur eine gewisse Vorrangstellung zukomme, ansonsten aber viele ethnische Gruppen – auf der Basis des Grundgesetzes – ohne starken, in einem freiheitlichen Rechtsstaat angeblich nicht zu begründenden Assimilationsdruck nebeneinander existieren dürften. Allen Ernstes bemüht Krah diesbezüglich den Begriff des „Reiches“, um seine resignative Idee den Zuhörern schmackhaft zu machen, obgleich es heute an einer metaphysischen, Völker vereinenden Reichsidee völlig fehlt und eine solche, wenn es sie denn – über die Entwürfe der „Reichsdenker“ hinaus – je gab, auch in der Vergangenheit nicht ausreichte, um auch nur verschiedene christlich-abendländische Nationen dauerhaft und ohne beständigen Zwang zu verbinden. In der weitgehend fragmentierten Besiedlungszone des heutigen Deutschland würde Krahs Modell zweifellos nur die Wiederauflage der gescheiterten multikulturalistischen Ideologie in vermeintlich konservativer Bemäntelung bedeuten: De facto wäre es die Anerkennung disparater, inkompatibler Parallelgesellschaften und der Verzicht nicht nur auf einen deutschen Nationalstaat, sondern auch auf eine funktionierende Rechts- und Verfassungsordnung, denn ein solcher Zustand ließe sich, aufgrund des selbst nach einem sofortigen Zuwanderungsstopp anhaltenden demographischen Wachstums und des dominanten Auftretens gewisser ethnisch-religiöser Milieus, niemals festschreiben und dauerhaft „befrieden“. Vielmehr würde es aus dem deutschen Volk endgültig eine Minderheit neben anderen machen, die allenfalls noch eine exponierte Stellung bei der Zahlung von Tributen in Form von immer höheren und doch nie genügenden Transferleistungen hätte.


Reichsgedanke Parallelgesellschaft


Hier zeigt sich einer der beiden großen „blinden Flecken“ in der Argumentation Krahs: Als Jurist blendet er die ökonomischen Konsequenzen der Masseneinwanderung für sein Modell eines Nebeneinanders der Kulturen konsequent aus. Dabei lässt sich das Scheitern der Krahschen Ideen bereits heute in deutschen Großstädten mit ihren vielen islamischen Parallelgesellschaften beobachten. Wenn Bildung und Kompetenzen die Grundlagen für den Wohlstand rohstoffarmer Länder darstellen, wenn, wie Gunnar Heinsohn schrieb, „Gehirn Religion, Klasse und Rasse schlägt“, kann ein Staat nicht funktionieren, in dem wachsende Parallelgesellschaften bildungsferner, kulturfremder Einwanderer und ihrer Nachkommen sich beinahe im Regelfall von denen, die „schon länger hier leben“, alimentieren lassen. Wo es kein gemeinsames „Wir“ gibt, ist die Bereitschaft zum solidarischen Teilen gering. Wenn zudem in einer überalterten Mehrheitsgesellschaft die Wirtschaftskraft sinkt, die Verteilungskämpfe zunehmen, fehlt Krahs Modell schlicht der ökonomische Unterbau. Außerdem ist es illusorisch anzunehmen, dass der verfassungsmäßige Rahmen in einem solchen Staatsgebilde unangetastet bliebe; wir haben in jüngster Zeit erlebt, wie es einer woken Diskursmacht gelang, selbst grundgesetzlich besonders privilegierte Kategorien wie „Ehe“ und „Familie“ derart umzudeuten, dass sie schließlich in ihr Gegenteil verkehrt wurden, und müssen annehmen, dass dies auch bei unablässig steigender Islamisierung sowohl der in Deutschland lebenden Bevölkerung als auch der tonangebenden „Eliten“ geschehen würde (und leider auch geschehen wird, wenn es zu keiner fundamentalen politischen Wende kommt). Bekanntlich lebt der Rechts- und Verfassungsstaat von geistigen Voraussetzungen, die er selbst nicht erzeugen kann. Ein abstrakt-formalistischer Rechtspositivismus hält unsere Werte-Ordnung nicht aufrecht. Die schleichende Islamisierung ist daher der zweite blinde Fleck bei Krah: Wie soll sich wenigstens das Nebeneinander der Ethnien in einem gemeinsamen Staat bewahren lassen, wenn ein aggressiv oder gar militant missionarisch auftretender Islam einen unverhohlenen Machtanspruch bei der Gestaltung von Recht und Politik erhebt?

 

Insgesamt sind Krahs Ausführungen ein Affront gegenüber jeder patriotischen Politik, die den Erhalt und das Wohlergehen des deutschen Volkes in den Mittelpunkt stellt. Zurückzuweisen ist insbesondere auch sein Versuch, AfD-Politiker oder AfD-nahe Autoren, die am Remigrationskonzept festhalten, in eine Ecke zu rücken, in der sie der – parteipolitisch instrumentalisierte und gegenüber den Innenministerien weisungsgebundene – Verfassungsschutz sehen möchte. Krah besorgt hier das Geschäft des Gegners, um sich als vermeintlich seriöser, verfassungstreuer Gesprächs- und eines Tages vielleicht auch Koalitionspartner zu inszenieren. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt jedoch hinreichend genug, dass ein solches Entgegenkommen niemals zur Akzeptanz durch den politischen Gegner führt. Vielmehr wird dieser den Diskurskorridor sofort verschmälern und die – von ihm einseitig, willkürlich und machtpolitisch – festgesetzten „Grenzen des Sagbaren“ weiter einschränken, wenn patriotische, volkstreue Akteure darauf verzichten, sie nicht nur jederzeit abzuschreiten, sondern auch zu erweitern, bis sie, abgesehen von den engen und klar definierten strafrechtlichen Grenzen etwa bei Beleidigung und Verleumdung, möglichst nicht mehr existieren.


Sich die Sache des Volkes zu eigen machen


Aber auch Kubitschek gelingt es – womöglich wegen Krahs eloquenten, teils „offensiv-freundlichen“, durch ständiges Unterbrechen seines Gesprächspartners auffallenden, teils aber auch „wabernden“, auf Nebenschauplätze ausweichenden und zuweilen demonstrative Loyalität beteuernden Stils – nicht hinreichend, seine eigentlich besseren Karten auszuspielen. Leider verzichtet er darauf, bei der Remigrationsfrage die ethnokulturelle Argumentation um einen juristisch präziseren Forderungskatalog zu erweitern. Als Krah ihn fragt, ob „Neubürger“ zum Demos oder zum Ethnos hinzustoßen, ob sie also „nur“ Staatsbürger oder auch Deutsche werden, weicht Kubitschek mit der Formulierung aus, dass sie „die Sache des Volkes zu ihrer eigenen machen“ sollen. Aber welchen Volkes? Des Staatsvolkes oder der ethnischen Gemeinschaft?

 

Es ist jedoch gar nicht nötig, sich auf diese Differenz einzulassen, die in der Gegenwart vor allem in Vielvölkerstaaten wie der „Russländischen Föderation“ ihren Sinn hat, in denen zwischen der Titularnation und weiteren Völkern unterschieden wird, die gemeinsam das „Staatsvolk“ bilden. In Deutschland hingegen sind Germanen, Römer, Slawen, Balten und weitere Volksgruppen im Laufe der Jahrhunderte zu einem bis in die jüngste Vergangenheit nahezu homogenen Nationalstaat verschmolzen – zum Staat des deutschen Volkes und äußerst kleiner, sprachlich-kulturell nahe verwandter Minderheiten wie der Sorben, Friesen und Dänen. Das Volk als ethnische Gemeinschaft war mit der Gesamtheit der Staatsbürger weitgehend identisch. Letztere als „Volk“ zu bezeichnen, weil es im Deutschen keinen adäquaten Begriff für „Demos“ gibt, ist allerdings missverständlich und stellt bereits den ersten Schritt zur terminologischen Negation des deutschen Volkes dar, wie ihn die heutige globalistische Linke vornimmt: Zunächst wird die Summe aller Staatsangehörigen zum „eigentlichen“ Volk erklärt, der gegenüber die ethnische Gemeinschaft angeblich zweitrangig und politisch irrelevant wäre, und in einem zweiten Schritt folgt die abstruse Behauptung, dass es ein deutsches Volk, allenfalls abgesehen von der gemeinsamen Sprache einer gewissen Anzahl von Menschen, gar nicht gäbe und dass jeder darüber hinausgehende Volksbegriff ein rechtsextremes Konstrukt darstelle.

 

Dieser linksextremen, einer völkerfeindlichen globalistischen Agenda folgenden Behauptung widerspricht nicht nur das vom Abstammungsprinzip ausgehende und bis 1999 geltende Staatsangehörigkeitsrecht, sondern auch das Grundgesetz: Schon in seiner Präambel setzt es mit der Formulierung, dass sich das (großgeschriebene) „Deutsche Volk“ dieses Grundgesetz gegeben habe, die Präexistenz des Volkes gegenüber seiner staatsrechtlichen Schöpfung voraus. Der Volksbegriff unserer Verfassung entstammt durchaus nicht, wie Krah anzunehmen scheint, der aufklärerischen Vertragstheorie, nach der zufällig zusammengewürfelte Menschen in einem fiktiven Gründungsakt ihre angeblich nur individuellen Souveränitätsrechte auf eine Gemeinschaft übertragen haben, die sich dadurch erst als Volk konstituierte, sondern das Volk geht dem Staat und dessen juristischer Verfasstheit selbstverständlich immer schon voraus – als Sprach-, Kultur-, Abstammungs- und Schicksalsgemeinschaft, die sich in ihren politischen Institutionen als solche identifiziert und behauptet. Der Staat hat das Volk nicht geschaffen, sondern soll seine Existenz schützen und seiner Wohlfahrt dienen. In diesem Sinne verlangt der Amtseid von den Mitgliedern der Bundesregierung, dass sie ihre Kraft „dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren“ und „Schaden von ihm wenden“.

 

Die Priorität des „ethnischen Volksbegriffs“ – also die vorkonstitutionelle, geschichtliche Gegebenheit des deutschen Volkes – liegt auch Artikel 116 GG zugrunde, dessen erster Absatz den Flüchtling oder Vertriebenen „deutscher Volkszugehörigkeit“ zum Deutschen erklärt – gleichgültig, welche Staatsangehörigkeit er hat. Man kann also Deutscher sein, ohne einen deutschen Pass zu haben – und man kann auch einen deutschen Pass haben, ohne Deutscher zu sein, wenn man sich seiner Herkunftsnation stärker verbunden fühlt und unter normalen Bedingungen gar nicht hätte eingebürgert werden dürfen.


Wege zurück: Sinnvoll und humanitär


Durchaus kann eine sinnvoll zu begrenzende Anzahl von Menschen aber auch durch Einbürgerung zu Deutschen werden, was einen entsprechenden – ernsthaften – Willensakt und eine Assimilation voraussetzt, die vielleicht erst nach zwei oder drei Generationen vollständig abgeschlossen ist. Diese ist weitaus mehr als äußerliche Integration, geht also über ein gesetzeskonformes Verhalten hinaus und erfordert auch innerlich das Ablegen der Fremdheit. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist nur eine der dazu nötigen Voraussetzungen; noch wichtiger ist, dass man sich „als Deutscher fühlt“, also eine emotionale Verbindung zu deutschen Symbolen, Orten und Schicksalsmomenten entwickelt, die jene zur alten Heimat allmählich verdrängt. Der Bezug zu dieser muss nicht völlig gekappt, er darf durchaus bewahrt und gepflegt werden, aber er muss sich der neuen Bindung unterordnen, die etwa im Extremfall der Wehrpflicht auch existenziell zu bewähren ist. Es liegt auf der Hand, dass diese Neubindung bei Einwanderern aus benachbarten, kulturell näherstehenden Ländern leichter erfolgen kann als bei einer Herkunft aus einer relativ fremden und womöglich auf Abgrenzung oder gar Superiorität pochenden Kultur. Und es ist auch einsichtig, dass man sich in einem Land mit positiver Identität eher assimilieren möchte als in einem, das von einer Unkultur des Selbsthasses zerfressen ist. Wer für Ausländer so attraktiv sein möchte, dass sie gerne Deutsche werden wollen, muss zuallererst mit sich selbst im Reinen sein.

 

Kulturelle Nähe ist also eine inhaltliche, emotional wirkende Voraussetzung für erfolgreiche „Eindeutschung“ – aber sie kann aufgrund ihres durch vielfältige „Familienähnlichkeit“ bestimmten und nicht präzise fassbaren Charakters kein juristisches Kriterium bei der Einbürgerung sein. Ihre begriffliche Unschärfe lädt den politischen Gegner geradezu ein, der Rechten vorzuwerfen, subjektive Kriterien bei der Einbürgerung anlegen und dadurch Menschen „diskriminieren“ zu wollen. Anstatt sich auf dieses Glatteis zu begeben, muss man „harte“ Maßstäbe aufstellen: Wenn von einem Einbürgerungswilligen erwartet wird, eine bestimmte – deutlich zu erhöhende – Anzahl von Jahren in Deutschland zu leben, die deutsche Sprache nahezu perfekt zu beherrschen, für seinen Lebensunterhalt auskömmlich sorgen zu können, selbstverständlich nicht straffällig geworden zu sein und Qualifikationen mitzubringen, die unserem Land nachhaltig nutzen, fällt die kulturfremde Problemklientel aus dem Raster, ohne dass „schwammige“ kulturalistische Kriterien aufgestellt werden müssten.

 

Martin Sellner hat in seinem Standardwerk zahlreiche Vorschläge ausgearbeitet, wie Migration und Remigration sinnvoll und humanitär gestaltet werden können. Sein Konzept ist ohne Zweifel verfassungskonform, wie Gerhard Vierfuß ausgeführt hat. Es besteht daher überhaupt kein Grund, Konflikte künstlich herbeizureden, um sich – letztlich erfolglos, aber der AfD und allen Patrioten zum Schaden – dem politischen Gegner und dem von ihm als Sprachrohr genutzten „Verfassungsschutz“ anzudienen. Gerade das von Krah zitierte OVG Münster hat betont, dass ein ethnisches Verständnis des deutschen Volkes als „dynamische Einheit aus Abstammung, Sprache, Kultur und gemeinsam erlebter Geschichte“ und auch die Sorge, dass diese Einheit durch „eine übermäßige Migration“ in ihrer Identität bedroht sei, für sich genommen „keine Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“ darstellen. Über das Wie – die genauen Details einer klugen, identitätsorientierten Migrations- und Remigrationspolitik – muss diskutiert werden (und sicher könnte Maximilian Krah dazu auch konstruktive Beiträge leisten), aber nicht über das Ob. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus – und ein Krah sollte das auch unterlassen.




[1]Robert Pausch: Rechts dreht auf („Zeit“ Nur. 26/2025). Auch viele weitere Mainstream-Medien behandelten dieses Gespräch, darunter „Die Welt“ (AfD: Was Krah mit seiner Kehrtwende bei „Remigration“ bezweckt - WELT), ntv ( "Remigration", Russland, Iran, Nato, Wehrpflicht: Die fünf Triggerpunkte im Strategiestreit der AfD – n-tv.de), t-online (Maximilian Krah: Ex-Spitzenkandidat der AfD kämpft gegen seine Gefolgschaft) u.a.

[2]Martin Sellner: Remigration – Ein Vorschlag. Schnellroda (2. Aufl.) 2024, S. 66f.

[3]Krahs Parteifreund René Springer, der Vorsitzende der brandenburgischen AfD, scheut sich hingegen nicht, die Folgen der Islamisierung in der aktuellen TUMULT-Ausgabe klar zu benennen, und bringt sein Fazit auf den Punkt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Dies betrifft zwar nicht jeden einzelnen Muslim, aber „angesichts der Tatsache, dass es nun mal muslimische Migranten bzw. aus islamischen Staaten kommende Migranten sind, die – ob nun symbolisch oder wirklich religiös – in islamischen Institutionen und Gruppierungen organisiert sind und überproportional kriminell, vor allem gewalttätig und clanmäßig in Erscheinung treten, darf man diese Fragen nicht zum Tabu erklären.“ Für eine patriotische, am Selbsterhaltungswillen des deutschen Volkes orientierte Politik lautet die Konsequenz, dass sämtlichen „mit unserer Lebensweise nicht wirklich vereinbaren Ausdrucksformen islamischer Lebensart […] kein Raum gewährt werden“ darf. „Am Ende muss das Recht der Politik folgen, wenn die Politik als Handlungsgewalt des Souveräns – des Volkes – ihren Selbsterhalt verteidigen muss.“ (René Springer: Die Islamisierung und Wir. Direkte Demokratie gegen die Verrechtlichung der Politik, in: TUMULT. Vierteljahresschrift für Konsensstörung, Nr. 02/2025, S. 37-40)



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Über den Autor: Baal Müller, geb. 1969 in Frankfurt/Main, studierte Germanistik und Philosophie in Heidelberg und München. Promotion 2004 mit einer Arbeit über Ludwig Klages und Alfred Schuler (Kosmik 2007; Neuausgabe 2020). Gleichzeitig edierte er Schulers Gesammelte Werke textkritisch aus dem Nachlass. Von 2003 bis 2015 war er Inhaber des Telesma-Verlags. Seit Ende der neunziger Jahre Beiträge in vielen Zeitschriften. Gegenwärtig lebt er als Schriftsteller, Übersetzer, politischer Berater, Pressereferent und Ghostwriter im brandenburgischen Treuenbrietzen sowie gelegentlich in Georgien. Er ist Mitbegründer der Künstlergruppe „Orphischer Kreis“. Zuletzt veröffentlichte er den Gedichtband Wendische Fahrt (2016), eine Neubearbeitung der Nibelungensage (Hildebrands Nibelungenlied, 2017) und das materialreiche Grundlagenwerk Die Selbstzerstörung der Demokratie - Deutschland am Abgrund, Gelnhausen 2020.


Beitragsbild: European Union, 1998 – 2025, Attribution, via Wikimedia Commons


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