Anlässlich des aktuellen und bisher ungeklärten Angriffs auf sechs Handelsschiffe im Golf von Oman wirft Helmut Roewer, ehemaliger Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes und nunmehr politischer Publizist, einen nachdenklichen, durch historische Exkurse geschärften Blick auf spezielle Methoden der verdeckten Kriegsführung.
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Die Anschläge auf zwei Tanker im Golf von Oman lassen nichts Gutes im Konflikt zwischen Persien und den USA erwarten. Beide Seiten bezichtigen sich wechselweise der Täterschaft. Rund 120 Jahre Erfahrungen mit False Flag-Operationen der Amerikaner wecken böse Vermutungen, was da abgegangen sein könnte. Sollten es hingegen tatsächlich die Perser gewesen sein, so haben sie genial kalkuliert, dass ein solches Vorgehen in erster Linie den USA zugetraut wird. Für diese Auffassung gibt es gute Gründe. Ich will den Leser an einigen Gedanken teilhaben lassen, die mir beim Aufkommen der Tankermeldung spontan durch den Kopf gingen. Sie haben mich zudem veranlasst, ein wenig in amerikanischen Geschichtsbüchern zu blättern. Hier sind die Ergebnisse:
Die verdeckte Kriegführung ist eine Methode, einem Gegner seinen Willen aufzuzwingen, ohne dass ich, der Kriegführende, als Streit-Hansel sichtbar in die Arena trete. Ich benutze Mittel und Methoden, die mich als den friedlichsten Menschen der Welt dastehen lassen – auch und gerade, wenn Gewalt angewendet wird. Die Gewaltanwendung geschieht häufig in der Absicht, ein Fanal zu entzünden: Seht her, wir müssen jetzt etwas tun, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten (Mobilisierungs-Effekt). Bei derartigen Mobilisierungs-Operationen kommt es darauf an, dem Gegner die Gewaltanwendung möglichst geschickt in die Schuhe zu schieben (false flag = falsche Flagge).
Die amerikanische Geschichte steckt voller Beispiele solcher gewaltsamen false flag-Operationen. Bevor ich einige davon aufzähle, sei erwähnt, warum amerikanische Staatslenker sich zu dieser Art von Operationsführung bemüßigt fühlten. Es liegt an der vielfach gelobten dortigen Demokratie. Diese bedarf in besonderer Weise des Mobilisierungs-Effekts, nämlich der Erzeugung einer kriegsfreundlichen öffentlichen Meinung. Nun einige Beispiele:
* Havanna-Zwischenfall: Am 15. Februar 1898 flog im Hafen von Havanna das amerikanische Kriegsschiff USS Main in die Luft. Eine spanische Mine, so schrie die US Presse. Doch die Detonation, die fast 300 US-Mariner das Leben kostete, war im Schiff selbst erfolgt. Von einer herkömmlichen Mine außenbords konnte also gar keine Rede sein. In Wirklichkeit provozierten amerikanische Kriegstreiber einen Krieg gegen die Kolonialmacht Spanien. Die Sache lohnte sich, denn nicht nur Cuba, sondern auch die spanische Kolonie der Philippinen gerieten auf diese Weise nach militärischer Gewaltanwendung unter US-Kontrolle.
* Pearl Harbor: Mit dem japanischen Überfall auf den US-Marinestützpunkt im Pazifik im Dezember 1941 traten die USA auch äußerlich sichtbar in den Krieg ein – ein Verhalten, dass die amerikanische Öffentlichkeit mit breiter Mehrheit bis zu diesem Zeitpunkt dezidiert nicht wollte. Noch Jahre später (und eigentlich bis heute) haben Amerikas Machthaber keine Mühe gescheut, der Öffentlichkeit die auslösenden Fakten vorzuenthalten. Hierzu gehörten Wirtschafts-Repressionen gegen Japan, die Boykottierung von dessen Verhandlungs-Bemühungen und das klare Vorwissen über Ort und Stunde des japanischen Militärschlages. Mit anderen Worten: Die US-Führung ließ ihn geschehen, um als Überfallener dastehen zu können.
* Golf von Tonking-Zwischenfall: Anfang August 1964 findet in der amerikanischen Presse der Angriff nordvietnamesischer Torpedobote auf den US-Zerstörer Maddox im Golf von Tonking statt. Aber nur dort. Das ist der offizielle Auslöser des Vietnam-Krieges.
* Die Brutkasten-Morde: Beim Einmarsch irakischer Truppen in das benachbarten Kuweit im August 1991 bringen die Invasoren in bestialischer Art und Weise die Zivilbevölkerung um und machen nicht einmal Halt vor den Neugeborenen in Brutkästen. So lautet die frei erfundene und durch das US State Department transportierte Geschichte in den amerikanischen Medien (und denen der ganzen Welt). Sie ist der Auslöser des ersten US-Krieges gegen den Irak. Sorgsam wird verschleiert, dass die US-Botschafterin in Bagdad den dortigen Diktator Saddam Hussein zuvor zum Einmarsch in Kuweit ermuntert hatte.
Das mag als Auswahl genügen. Man erkennt leicht das Strickmuster für den Beginn amerikanischer Angriffskriege.
Die Situation ist im Augenblick ähnlich. Seit Jahren führen die USA einen robusten Handelskrieg gegen den Iran. Der Grund hierfür ist ein Gemisch aus psychologischen und machtpolitischen Gründen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem damit einhergehenden Verfall des British Empire sind die USA im Mittleren und Nahen Osten und in Nordafrika Schritt um Schritt als wirtschaftliche Vormacht in die Fußstapfen der abdankenden europäischen Kolonialmächte getreten. Primärer Grund war die Inbesitznahme der Ölvorkommen.
In Persien wurde das erstmals überdeutlich, als die USA mit Hilfe einer verdeckten CIA-Operation 1953 die gewählte Regierung Mossadegh abservierten, weil diese die Ölvorkommen zu verstaatlichen drohte. Mossadegh wurde durch den wieder-inthronisierten Schah ersetzt. Zwar wurde das CIA-Manöver jahrzehntelang bestritten, doch lassen jetzt freigegebene Regierungsdokumente keinen Zweifel mehr, was damals geschah.
Die amerikanisch-persische Herrlichkeit dauerte bis 1979, als revolutionäre mohammedanische Hardcore-Geistliche unter Ajatollah Khomeini die Macht ergriffen. Dem verhassten amerikanischen Kolonialherrn fügten sie eine demütigende Niederlage bei, indem sie die US-Botschaft in Teheran besetzten und deren Bedienstete als Geiseln festhielten. Bald darauf kam es zum ersten Golfkrieg (1980-88), dessen Hauptkontrahenten der Irak und der Iran waren. Die USA spielten hierbei die bemerkenswerte Rolle, dass sie beide Kriegsgegner verdeckt unterstützten, so dass sich der Krieg endlos hinzog und keiner ihn gewinnen konnte.
100 Prozent Fake, made in Pentagon: Mit diesem Bild begründete US-Außenminister Collin Powell 2003 den US-Krieg gegen den Irak. Die angeblichen mobilen Chemiewaffenlabore waren reine Phantasieprodukte, auf welche die ganze Welt begierig hereinfiel.
Mit dem ersten und zweiten US-Krieg gegen den Irak (1991, bzw. 2003 ff.) stellten die USA zu ihrer Überraschung fest, dass sie nicht nur den Krieg nicht zu gewinnen vermochten, sondern dass hierbei auch das verdeckte Eingreifen des Iran eine Rolle spielte – eine Erfahrung, die sie auch im dann folgenden Syrienkrieg machen mussten. Es mutet wie ein schlechter Scherz an, dass die iranischen Gotteskrieger, die den Amerikanern nunmehr zu schaffen machen, ihre Existenz verdeckter amerikanischer Waffen- und Ausbildungshilfe verdanken. Wie dem auch sei, machtpolitisch bedeutet die Existenz des militanten iranischen Gottesstaats ein starkes US-freies Zentrum im kaum noch zu durchschauenden Durcheinander im Mittleren und Nahen Osten. Und für die Amerikaner besonders bitter: Die Führung in Teheran lässt keinen Zweifel daran, dass sie den Bündnispartner Israel auszulöschen gedenkt.
Alles in allem: Wer auf der Suche nach Argumenten gegen die fatale One World-Ideologie ist, sollte sich umgehend in den Nahen Osten aufmachen. Es gibt kaum eine Gegend in der Welt, die so stark von religiösem und rassischem Hass zerrissen ist wie diese. Die Schlachtfelder dieser Auseinandersetzungen laufen zickzack über die uns seit gut hundert Jahren bekannten Staatsgrenzen hinweg, die nichts anderes sind als die arroganten Sieger-Diktate des Ersten Weltkriegs. Wir haben keinen Anlass, uns dort irgendwie einzumischen – es sein denn, man nimmt außer der Reihe die Worte der Bundeskanzlerin einmal ernst, wonach das Existenzrecht Israels eine Frage der deutschen Staatsraison sei. Wie das mit dem Hereinholen radikal-antisemitischer Moslems in unser Land zusammenpasst, vermochte mir bis heute niemand schlüssig zu erklären.
Was nun Washington und Teheran anlangt, ist die heiße Phase dieses Krieges nicht mehr fern. Dass sich Japans Regierungschef als ehrlicher Makler angeboten hat, lässt eine vage Hoffnung zu. Ein Krieg wird, wenn eine der beiden Seiten Ernst macht, mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Zerstörung weiter Teile des Iran und seiner Erdölproduktion führen und zu fatalen Racheakten Richtung USA und deren Verbündeten. Wie das Mullah-Regime so drauf ist, lässt sich an dem Bombenfund in London vor vier Jahren ablesen, dessen Existenz erst vor wenigen Tagen öffentlich zugegeben wurde. Es waren drei Tonnen Sprengstoff – genug, um London Bridge ein für allemal zu beseitigen. Wie heißt es auch heute wieder so trefflich, man wollte die Bevölkerung nicht beunruhigen. Schlafe gut, englischer Tommy, ruhe sanft, deutscher Michel.
Bei aller Unklarheit lässt sich eines sicher sagen: Ein neuerlicher Krieg wird den Nahen und Mittleren Osten nicht befrieden. Die Sphinx in diesem grausamen Spiel ist US-Präsident Donald Trump. Dass er von außenpolitischen Abenteuern der üblichen Art bisher weitgehend die Finger gelassen hat, weil er der Wohlfahrt des Landes den Vorzug gab, haben ihm seine Kritiker als Nationalismus übelgenommen.
Zwei Dinge betrachte ich mit Skepsis:
(1) Mit John Bolton als dem neuen Sicherheitsberater des Präsidenten ist erstmals ein Vertreter des Council on Foreign Relations (CFR) in Trumps unmittelbare Nähe gerückt. Der Mann mit dem weißen Walrossbart gilt – wer weiß, ob’s stimmt – als dezidierter Hardliner. Das Hausblatt des CFR, Foreign Affairs, das sonst kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es darum geht, gegen Trump zu Felde zu ziehen, ist im Moment verdächtig ruhig und beschränkt sich auf die Zeit nach Trump.
(2) Mit der Eröffnung eines Kriegsschauplatzes könnte Trump im Vorfeld der angestrebten Wiederwahl von 2020 den Weg so vieler US-Präsidenten beschreiten, das Volk hinter sich zu versammeln: Amerika ist im Krieg, folgt mir! Das wäre ein fataler Erfolg für das von den Demokraten seit zwei Jahren veranstaltete Impeachment-Gezeter.
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