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Jörg Gerke: USA GEGEN EU – KAMPF UM DEN GREEN DEAL

  • vor 1 Stunde
  • 6 Min. Lesezeit

Der neue US-Präsident Donald Trump hat Zölle für alle wichtigen Handelspartner der USA bekannt gegeben. In einem Zeitraum, für den die jeweiligen Zölle – mit Ausnahme Chinas – auf 10% bleiben, werden die USA mit den Handelspartnern über monetäre und nicht-monetäre Handelsbarrieren verhandeln, um deren Abbau zu erreichen. Bisher bestanden im Handel zwischen der EU und den USA unterschiedliche Zölle. Bei EU-Autoexporten in die USA wurde ein Zoll von 2,5% aufgeschlagen, umgekehrt waren es 10%. Auf die Aufhebung solcher Ungleichheiten zielen die USA unter Trump vor allem. Aber es geht, wenn man die Aussagen von US-Regierungsvertretern verfolgt, wesentlich auch um nicht-monetäre Beschränkungen, die im Verhältnis zur EU eine große Rolle spielen.


Hält sich raus: Hahn auf dem Mist in der Steiermark
Hält sich raus: Hahn auf dem Mist in der Steiermark

Im Falle der EU stellen die Rahmenbedingungen des „Green Deal“ solch eine Beschränkung dar. Daß die EU diesen „Green Deal“ gerade nicht in die Verhandlungen einfließen lassen will, ist evident. Nach der Ankündigung von höheren US-Zöllen hat die EU-Kommission stattdessen vorgeschlagen, alle (monetären) Zölle auf Industrieprodukte fallen zu lassen. Damit wollte die EU der Diskussion um nicht-monetäre Barrieren im Handel mit den USA aus dem Wege gehen. Die USA haben dies abgelehnt, was anzeigt, daß es im Handel mit der EU nur am Rande um Zölle geht. Im Zentrum stehen vielmehr nicht-monetäre Handelsbeschränkungen wie die des „Green Deals“.


Im Folgenden soll am Beispiel der Landwirtschaft danach gefragt werden, ob die EU-Regelungen in diesem Bereich die Auseinandersetzung mit den USA wert sind und ob der „Green Deal“ wirklich grün ist, d.h. wirklich nachhaltig ist. Der „Green Deal“ der EU-Kommission ist vor allem zentriert um den Begriff „Klimaschutz“. Wird die Emission von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft, ein wichtiger Bereich, aus dem die Treibhausgase Kohlendioxid, Lachgas und Methan emittiert werden, durch den Europäischen „Green Deal“ langfristig und entscheidend reduziert? Die zweite Frage lautet: Wird durch den „Green Deal“ die Nachhaltigkeit der Nahrungsmittelproduktion in der Landwirtschaft erhöht? Anders ausgedrückt: Wird dadurch die Bodenfruchtbarkeit als Grundlage nachhaltiger Nahrungsmittelproduktion erhöht?


Schlechter Deal in Grün


Als erstes ist festzustellen, daß Bodenfruchtbarkeit und Emission der wichtigsten drei Treibhausgase aus der Landwirtschaft – Kohlendioxid, Lachgas und Methan – eng zusammenhängen. Die Reduktion der Treibhausgasemission aus den landwirtschaftlichen Böden fördert die Bodenfruchtbarkeit und umgekehrt. Eine geringe CO₂-Nettoemission zeigt den Aufbau von Bodenfruchtbarkeit an, da organische Bodensubstanz aufgebaut wird. Eine geringe Emission von Lachgas aus den Böden zeigt den schonenden und verlustarmen Umgang mit dem Hauptnährstoff Stickstoff (N) für die Pflanzen an – gleiches gilt für die Vermeidung von Bodenverdichtungen, z.B. durch schwere Maschinen auf dem Acker. Eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung fördert den Methanabbau in Böden, was zu einer geringen Methanemission in der Landwirtschaft führt.


Trägt die EU in ihren Regelungen zur Landwirtschaft diesen Nachhaltigkeitsaspekten Rechnung? Ist der „Green Deal“ für den Bereich der Landwirtschaft zielgerichtet ausgestaltet?

Dies ist nicht der Fall.


Es gibt in der Landwirtschaft zwei einzelne Bewirtschaftungsinstrumente, die in besonders nachhaltiger Weise die Bodenfruchtbarkeit fördern und dabei die CO₂- und N₂O-Emission aus der Landwirtschaft reduzieren helfen.   


Die Haltung der landwirtschaftlichen Nutztiere auf Stroh trägt einerseits zur Artgerechtigkeit der Haltung bei – die von Politik, landwirtschaftlichen Verbänden und Medien verwendete Bezeichnung „Tierwohl“ statt „artgerechter Tierhaltung“ ist bloß ein anderer Begriff.


Eine Rolle spielt der Unterschied von Stallmist und Gülle. Die positive, den Gehalt an organischer Substanz (Humusgehalt) erhöhende  Wirkung einer Stallmistdüngung ist seit Jahrzehnten belegt. Im Gegensatz dazu wirkt die Gülledüngung kaum oder gar nicht positiv auf die Humusgehalte landwirtschaftlicher Böden, auch dann nicht, wenn die Gülle auf das auf dem Feld zurückgelassene Stroh gegeben wird. Vor allem die Rückstände im Stallmist schaffen stabile organische Verbindungen, die zur Erhöhung der Bodenhumusgehalte beitragen. Und höhere Humusgehalte in Böden bedeuten mehr Bodenfruchtbarkeit und niedrigere CO₂-Gehalte in der Atmosphäre, da der Boden der größte oberflächennahe C-Speicher ist – größer als die Atmosphäre und Biomasse weltweit zusammen!


Die zweite landwirtschaftliche Methode zur Erhöhung der Gehalte an organischer Substanz in Böden hängt von der Wahl der richtigen Fruchtfolge in der Landwirtschaft ab. Fruchtfolgen, bei denen sich der Ackerfutteranbau abwechselt (z.B Kleegras oder Luzerne-Kleegras mit Getreide oder Hackfrüchten), erhöhen die Humusgehalte im Boden massiv.


Ist nun die Förderung ackerbaulicher Maßnahmen wie die Erzeugung von Stallmist oder die Implementierung von Ackerfutterbau in die Fruchtfolgen Bestandteil der Überlegungen zum „Green Deal“ der EU?


Dies ist nicht der Fall.


Die EU setzt, trotz gegenteiliger Bekundungen, auf eine intensivierte und industrialisierte Landwirtschaft. Das bedeutet mehr Gülle statt Stallmist und keine besondere Förderung von Fruchtfolgen mit Klee oder Luzerne. Es bedeutet auch weniger artgerechte Tierhaltung. Gülle ist  arbeitswirtschaftlich extensiver als Stallmist. Stallmist ist aber ein Anzeiger einer nachhaltigen Landwirtschaft!


Da die EU in ihrem „Green Deal“ in Bezug auf die Landwirtschaft keine Priorität für die nachhaltigen Maßnahmen zur Landbewirtschaftung setzt, steht ihre Glaubwürdigkeit in diesem Bereich in Frage. Die etablierten Medien werden abgelenkt und gefüttert mit Meldungen über Anabolika behandeltes Rindfleisch und Chlorhühner aus den USA.


Mit Energiepflanzen gegen Emissionen?


In Deutschland gehört wie nirgends sonst die Politik des „Klimaschutzes“ zum „Green Deal“. Ein zentraler Pfeiler dieser Politik ist die Förderung der Energiegewinnung aus Energiepflanzen vor allem vom Acker: Mais für Biogas-Strom und zur Alkoholgewinnung als Kraftstoffzusatz, Zuckerrüben ebenfalls für die Alkoholgewinnung und damit als Kraftstoffbeimischung und Raps zur Gewinnung des sog. „Biodiesel“. Was bedeuten nun diese Energiepflanzen auf dem Acker für die Emission der wichtigsten Treibhausgase aus der Landwirtschaft?


Es ist mitnichten so, daß die Treibhausgasemission mit dem Einsatz dieser Energiepflanzen reduziert wird. Reay et al. (2012) haben vielmehr gezeigt, dass der Energiepflanzenanbau sowohl die globalen Emissionen von Kohlendioxid als auch die von Lachgas erhöht. Diese in einem Nature-Ableger erschienene Arbeit (Reay et al., 2012, Nat. Climate Change, 2, 410-416) umfasst in der Autorengruppe mit P. Smith den weltweit am meisten zitierten Wissenschaftler zum Thema Landwirtschaft und Treibhausgasemissionen und umfasst weiter mit P. Crutzen einen der zentralen Wissenschaftler, die die Forschung in diesem Bereich angeschoben haben.


Die Autoren verweisen bei der Treibhausgasemission durch Energiepflanzen auf die Probleme und glauben, daß diese nur für Energiepflanzen der ersten Generation gelten. Eine Fehleinschätzung. Auch heute, 13 Jahre später, gibt es keine Energiepflanzen, für die andere Bedingungen gelten. Und es ist heute noch nicht einmal ein Energiepflanzenanbau denkbar, für den die erhöhte Treibhausgasemission bei Anbau und Verwertung nicht mehr gilt.


Mais etwa weist unter den Energiepflanzen eine besonders schlechte Treibhausgasbilanz auf. Allerdings ist Mais bei der Biogaserzeugung im Gärsubstrat notwendig, da Mais aus biotechnischen Gründen eine hohe Gasausbeute garantiert. Mais benötigt für einen hohen Ertrag eine hohe Stickstoffdüngung, womit die Lachgasemission angeheizt wird. Zudem hinterlässt Mais wenige Ernterückstände auf dem Feld, was zu einem Netto-Abbau der organischen Bodensubstanz führt und damit zur erhöhten Kohlendioxidemission. Gleichzeitig führt eine hohe Stickstoffdüngung zu hohen Gehalten an löslichem Bodenstickstoff, was wiederum die Methanabsorption und den Methanabbau in und durch Böden reduziert. Das wiederum erhöht die Netto-Methanemission in der Atmosphäre.


Das Chlorhuhn als Ablenkung


Ähnliche Verhältnisse zur intensiven Stickstoffdüngung und zum Verbleib von organischen Ernteresten liegen für die anderen Energiepflanzen wie Zuckerrübe und Raps vor. Eine nachhaltige Landwirtschaft mit dem Anbau dieser Energiepflanzen ist nicht denkbar! Diese Biopflanzenprogramme existieren zudem nur, weil für deren Anbau hohe Subventionen gezahlt werden! Aufgrund des hohen Energiebedarfs bei der Erzeugung dieser Energiepflanzen – hohe Stickstoffdüngung, hoher Energieaufwand für Transport und Aufarbeitung dieser Pflanzen – und des hohen Aufwands bei der Ausbringung der Abfallreste (Biogasgülle) gilt im Wesentlichen, daß hinter jeder Biogasanlage in Deutschland ein Kohle- oder Gaskraftwerk steht. Es findet eine energetische Umwandlung mit hohen Verlusten statt, um eine definitorische Zuordnung zu einer staatlich gesetzten Form von Nachhaltigkeit zu erlangen – ein insgesamt absurdes Verfahren. Und da der Energieaufwand durch Antransporte des Erntegutes und Abtransporte der Abfälle umso höher ausfällt, je größer die Anlagen werden, so steigen die Netto-Energieverluste mit zunehmender Größe der Anlagen.


Dies alles gehört eigentlich in eine breite Diskussion über den „Green Deal“ in der Landwirtschaft. Der alleinige Verweis auf das Chlorhuhn und die mit Anabolika gefütterten Rinder ist unzureichend. Und wenn tatsächlich ernsthafte Verhandlungen zwischen den USA und der EU über zukünftige Handelsbeziehungen beginnen sollten, so wird abzuwarten sein, ob die EU ihren teilweise fragwürdigen „Green Deal“ so wichtig nimmt, daß dafür die Automobilexporte in die USA geopfert werden könnten. Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ist auf jeden Fall nicht das Ziel des „Green Deal“. Und „New“ ist an dem politischen Taktieren unter aktiver Beteiligung der Agrarlobby schon gar nichts.              


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Über den Autor: Jörg Gerke, Studium der Agrarwissenschaften, Philosophie und Soziologie an der Georg-August Universität Göttingen. Habilitation 1995 mit einer Arbeit über Mobilisierungsprozesse in der Rhizosphäre anschließend venia legendi im Fach Pflanzenernährung. Seit 1994 bewirtschaftet Jörg Gerke einen mittelständischen ökologischen Landwirtschaftsbetrieb in Mecklenburg. Sein Engagement gilt dem Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft, insbesondere dem Wiederaufbau der bäuerlichen Landwirtschaft in Ostdeutschland.



Beitragsbild von Herzi Pinki, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons



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