Thomas Hartung: BULLERBÜ BRÖCKELT
- 4. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Juli
Abiball feiern? Gern – aber getrennt nach Geschlechtern! Der Vorschlag an einem Essener Gymnasium macht nicht nur sprachlos, sondern zeigt, wohin sich unser einst säkulares Land bewegt.
Ein Fest der Freiheit, ein Tanz in die Zukunft: so war einst der Abiball gedacht. Jetzt fordern muslimische Schüler an einem Essener Gymnasium: Geschlechtertrennung – aus religiösen Gründen. Kein Einzelfall, sondern ein Symptom. Es ist der Moment, in dem der Westen den Schleier lüftet – nicht dem Gesicht, sondern dem eigenen Selbstbetrug: zu glauben, Integration sei eine Einbahnstraße der Anpassung an den freiheitlich-demokratischen Grundkonsens.
Was passiert, wenn sich Schüler, die rund sieben Jahre dieselbe Schule besuchten, zum krönenden Abschluss in getrennten Räumen aufhalten sollen – weil „es der Islam so verlangt“? Was, wenn Lehrerinnen angefeindet werden, weil sie kurze Röcke tragen oder im Ramadan einen Apfel essen? Was, wenn das Tanzbein nicht mehr geschwungen, sondern zur moralischen Provokation erklärt wird? Die Antwort: Dann kapituliert die Mehrheitsgesellschaft vor einem religiös fundierten Kulturimport, der nicht kommen will, um zu tanzen – sondern um zu herrschen.

Der Schulleiter wiegelte gegenüber der WAZ ab: „Es war nie ein Plan, nur ein Vorschlag.“ Da es sich bei einem Abiball um eine Privatfeier (!) handele, habe die Schule keinerlei Handhabe. Die Idee sei lediglich von „ein paar Wortführern gekommen, die das durchsetzen wollten“. Die Lehrer sollen von den Plänen gewusst und einstimmig beschlossen haben, einem solchen Abiball fernzubleiben. Daraufhin ließen die Schüler die Idee fallen. „Eine religiös motivierte Geschlechtertrennung ist inakzeptabel und steht nicht zur Diskussion“, zitiert die BZ den Sprecher der Essener Gymnasien, Berthold Urch. Dass der Abi-Jahrgang 2025 nun gemeinsam feiert, sei eine gute Nachricht.
Die schlechte Nachricht ist: Wenn sie im Sommer ein ärmelloses Top trägt, sagen Mitschüler, das sei haram, berichtet der Vater einer christlichen Schülerin in der WAZ. Wenn sie sich die Nägel lackiert: haram. Durch den Druck fühle sie sich sehr verunsichert. „Das ist ein Fundamentalismus wie in der katholischen Kirche im Mittelalter“, sagt der Vater. „Ich bin fassungslos über dieses Beispiel kolossaler Desintegration“, fasst eine Lehrkraft , die an einer anderen Schule unterrichtet, in derselben Zeitung zusammen. Es gebe Mädchen, die nur für den Schulbesuch ein Kopftuch tragen, weil sie Angst vor einer muslimischen Gruppe hätten, die Druck ausübe. „Bullerbü bröckelt“, so sein Fazit.
Mosaik kultureller Rückeroberung
Diese Entwicklung ist kein Zufall. Sie ist die Folge eines Jahrzehnts kulturrelativistischer Selbstverleugnung. Während man in deutschen Klassenzimmern auf das Gendersternchen achtet, duldet man in der Aula den Ruf nach islamischer Sittsamkeit. Der säkulare Staat, ohnehin durch Schulministerien moralisch weichgekocht, streckt dem Islam devot die Hand entgegen – und bekommt dafür die Faust der Forderung. Die Schule, einst Hort der Aufklärung, wird zur Stätte vorsorglicher Unterwerfung.
Es beginnt harmlos: „Respekt vor anderen Kulturen“. Wer kann da schon Nein sagen? Es folgen Forderungen nach Gebetsräumen, Halal-Essen, Sonderregelungen im Sportunterricht. Und jetzt: die Trennung der Geschlechter bei schulischen Feierlichkeiten. Demnächst vielleicht auch bei der Sitzordnung im Unterricht? Bei der Benotung nach „religiöser Identität“? Die Grenze ist längst überschritten. Aber wer sie benennt, steht unter Islamophobieverdacht.
Beispiele gibt es zuhauf: In Bonn wurde eine Klassenfahrt abgesagt, weil muslimische Eltern eine gemeinsame Unterkunft von Jungen und Mädchen ablehnten. In Berlin verweigerten Schüler den Handschlag mit Lehrerinnen – aus religiösen Gründen. In Frankfurt wurde ein Schwimmkurs nur unter Ausschluss männlicher Lehrer erlaubt – ein Mosaik kultureller Rückeroberung. Wer diese Zeichen nicht deuten will, versteht Spengler nicht: Der Untergang des Abendlandes kommt nicht mit Panzern, sondern mit Phrasen. Nicht mit Verboten, sondern mit Forderungen. Nicht mit einem Kalifat, sondern mit einer Koalition aus falsch verstandener Toleranz und moralischer Feigheit.
Infiltration statt Integration
Gewiss: Nicht jeder religiöse Muslim fordert Geschlechtertrennung. Aber wer sie zur Bedingung für gesellschaftliche Teilhabe erklärt, verlässt das gemeinsame Wertefundament. Eine Studie der Universität Münster („Muslimisches Leben in Deutschland 2023“) zeigt: Viele Muslime empfinden sich durch Medienberichte, politische Rhetorik oder persönliche Erfahrungen als gekränkt. Etwa elf Prozent der Betroffenen äußern laut Studie die Bereitschaft, muslimische Interessen mit Gewalt zu verteidigen. Es ist diese ideologische Verschränkung von Frömmigkeit und Anspruchsdenken, die den gesellschaftlichen Frieden bedroht.
Was hier geschieht, ist keine Integration, sondern Infiltration. Der Abiball wird zur Frontlinie der Kultur: Hier trifft der letzte Rest westlicher Festkultur – das Tanzen, die Gleichheit, die Unbefangenheit – auf eine autoritäre Ordnung, die keine Gleichheit will, sondern Überlegenheit. Und die weiß: Die liberalen Hüter des Westens haben kein Werkzeug mehr, das nicht aus Gummi ist. Denn wehe, ein Schuldirektor verweigert die Trennung – schon ist von „Diskriminierung“, von „Verletzung religiöser Gefühle“ die Rede. Die Eltern schreiben Briefe, NGOs protestieren, die Presse mahnt zur Sensibilität. Am Ende knickt die Schule ein – wie immer.
So wächst eine neue Autorität in den alten Mauern. Und der Westen? Er reicht den Tanztee – mit gesenktem Blick. Der Abiball ist kein Nebenschauplatz. Er ist ein Symbol. Und wer ihn geschlechtergetrennt durchführt, sagt: Wir tanzen nicht mehr miteinander, sondern nebeneinander her – bis wir uns gar nicht mehr begegnen. Ein Gemeinwesen, das sich der eigenen Kontinuität schämt, ist irgendwann nur noch Durchgangsraum fremder Interessen. Wer die Schule als Ort der Aufklärung bewahren und ihre Landnahme verweigern will, muss normative Grenzen benennen – und verteidigen. Nicht mit Empörung, sondern mit Prinzipientreue.
Über den Autor: Thomas Hartung, geb. 1962 in Erfurt; promovierte nach seinem Lehramtsstudium in Magdeburg 1992 zur deutschen Gegenwartsliteratur und war danach als Radio- und Fernseh-Journalist in Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie als freiberuflicher Dozent für Medienproduktion und Medienwissenschaft an vielen Hochschulen Deutschlands tätig; der bekennende „Erzliberalkonservative“ trat als Student in die LDPD ein und 1990 aus der FDP aus: von „misslungener Einheit“ nicht nur mit Blick auf die Parteienfusion spricht er bis heute; Hartung war im April 2013 Mitbegründer der AfD Sachsen und wurde zweimal zum Landesvize gewählt. Seit März 2020 ist er Pressesprecher der AfD-Fraktion Baden-Württemberg.
Beitragsbild von Брюханов Д. А., CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
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