Früher die schönste Nebensache der Welt, heute eine widerliche Mischung von Sport, Kommerz und öffentlicher Moral. Das jedenfalls ist das Ergebnis, das der emeritierte Literaturwissenschaftler Günter Scholdt in seinem neuesten Buch über den politisierten, „woke“ ideologisierten und kommerzialisierten Ballsport vorlegt.
Wer den Auftritt der bundesdeutschen Fußballnationalmannschaft in Katar erlebte, wer die „woken“ Machenschaften des mittlerweile linkslastigen Deutschen Fußball Bundes (DFB) unter der Führung des SPD-Mannes Bernd Neuendorf zur Kenntnis nehmen muss und wer das Programm der Sendergruppe Sky oder DAZN verfolgt, wird die Analyse Günter Scholdts schnell bestätigt finden. Allgegenwärtige Regenbogenfahnen und -binden haben auch weite Teile der Fan-Blocks erobert, unübersehbar platzierte „Anti-Racism“-Spruchbänder, IS-Finger-Grüße oder Ukraine-Loyalitätsbekundungen in allen möglichen Formen werden vor den Spielen in die Kamera gehalten. Die Kameraregie betont auffällig die multiethnische Zusammensetzung der jeweiligen Mannschaftskader. Dazu kommt der geradezu peinlich anmutende Stellenwert, den der Frauenfußball mittlerweile medial genießt. Der Publizist Kai Rebmann schrieb dazu auf der Online-Plattform von Boris Reitschuster: „Es fällt schon seit geraumer Zeit auf, dass der weibliche Sport im Allgemeinen und Frauenfußball im Speziellen medial überproportional repräsentiert wird. Man erinnert sich an die Frauen-WM 2023, die in Deutschland offiziellen Zahlen zufolge Quoten im zweistelligen Millionenbereich generiert haben sollen. Zweifel sind aus mehreren Gründen aber angebracht.“
Scholdts Meinung zu dem Thema ist glasklar. Er habe nichts gegen Frauenfußball – eine Enkelin spiele schließlich selbst –, doch ihn stört, wie er im Interview mit dem Magazin Freilich erklärt, „das Ganze unter dem Signum eines Freiheitsprojekts laufen zu lassen und die Umwelt quasi moralisch zu nötigen, sich dem periodisch auszusetzen“, zumal viele dem Frauenfußball nur so viel abringen könnten wie „Schlammringen in St. Pauli“. Die vehement und stetig erhobene Forderung nach „Equal Pay“ sortiert der frühere Leiter des Literaturarchivs Saar-Lor-Lux-Elsass richtig ein: Equal Pay sei „keine Frage der Gerechtigkeit, sondern von Angebot und Nachfrage. Es hat offenbar gehaltsrelevante Gründe, warum weltweit Milliarden lieber Real Madrids oder Bayern Münchens Männermannschaft anschauen möchten als die Frauenelf von Wolfsburg, St. Pölten oder Chelsea.“
In seinem fast 500 Seiten umfassenden Buch „Fußball war unser Leben – Wie Kommerz und Politik die schönste Nebensache der Welt fast zerstörten“, das in der Edition Sonderwege des Manuscriptum Verlags erschienen ist, arbeitet Günter Scholdt in äußerst unterhaltsamer und bestens lesbarer Weise die toxische Allianz aus Kommerz und Ideologie heraus, die den Fußball in seiner Substanz gefährdet. Die Bedrohung durch Geschäftemacher, Politiker und ihre journalistischen Handlanger, die sich der Attraktivität des Fußballs parasitär bedienen, wird an einer Fülle von Beispielen vorgeführt – man reibt sich häufig erstaunt die Augen. Dazu kommt eine amüsante, weil beißende medienkritische Ausrichtung. Die immer penetrantere Instrumentalisierung des Sports wird – so weist Scholdt gewohnt souverän nach – über aktuelle Global-Agenden bestimmt. Der soziologische Blick des Buches verbindet sich dabei mit persönlichen Einsichten des Verfassers als dem Fußball verfallener Schüler, jahrzehntelanger Amateurkicker und früherer Spielertrainer des UFC Wacker Saarbrücken, passionierter Club-Fan und leidgeprüfter Anhänger einer Nationalmannschaft, die zunehmend ihren Nimbus verspielt.
Leider, so Scholdt, fördern wir mit jeder Karte und jedem TV-Abonnement die fatale Entwicklung und folgerichtigerweise wäre der „Verzicht auf Stadionbesuche und das Abschalten der Glotze […] somit der einzige wirksame Zuschauerprotest“, doch „das ständige Wachstum des Sportbusiness [beruht] ja zum Großteil auf der (vergeblichen) Flucht aus dem immer stärker politisierten Alltag. Das begrenzt Hoffnungen im Fernsehen auf den nicht gerade naheliegenden politischen Systemwechsel, den solche Sportpropaganda auch noch behindert, oder auf Zustände, in denen das Establishment gänzlich überreizt, sodass die Unterhaltungsware nur noch schal schmeckt. Bis dahin möge das Buch allen Rebellen gegen den uns aufoktroyierten Zeitgeist durch Fakten und Argumente den Fehlerkreis verdeutlichen, in den wir verstrickt sind.“ Dem ist wahrlich nichts hinzuzufügen.
Günter Scholdt: FUSSBALL WAR UNSER LEBEN. Wie Kommerz und Politik die schönste Nebensache der Welt fast zerstörten. Edition Sonderwege. 488 Seiten, 28,00 Euro
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