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Beate Broßmann: WARUM DAS KRIEGSGESCHREI?

  • vor 5 Stunden
  • 10 Min. Lesezeit

Wir haben uns daran gewöhnt, von ungebildeten und verantwortungslosen bis korrupten Politikern regiert zu werden, die kaum mehr ermessen können, welche Wirkung ihre Worte und Handlungen haben könnten und würden. Und wir neigen daher dazu, Sätze wie die, wir müßten kriegsfähig werden und befänden uns nicht mehr im Frieden, aber auch nicht im Krieg, für hohles Gewäsch oder Propaganda und Stimmungsmache zu halten. Wenn es heißt, die Russen seien spätestens 2030 bereit und fähig, die NATO anzugreifen, kann man davon ausgehen, daß gemeint ist, die NATO sei zu diesem Zeitpunkt bereit und fähig, Rußland anzugreifen. Ein Überfall auf den Sender Gleiwitz ist jederzeit wieder zu konstruieren. Hat man einmal einen Feind definiert, findet sich auch eine Tat. Und ein Großteil der europäischen Bevölkerung wird nach jahrelanger politisch-medialer Dämonisierung Rußlands glauben, daß wir uns gegen diesen vermeintlich ewigen Feind verteidigen müssen.



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Wir Europäer in Ost- und Westdeutschland sind nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Überzeugung groß geworden, daß auf unserem Kontinent kein heißer Krieg mehr ausbrechen würde. Kalter Krieg, Atomraketen, Entspannungspolitik und später das Ende der Blockkonfrontation haben diesen Glauben bestärkt. In der Folge zweier europäischer Großkriege würde kaum ein Europäer je wieder einen Krieg befürworten und bereitwillig zur Waffe greifen, lautete die allgemeine Überzeugung. Auch in der DDR: Schwerter zu Pflugscharen und Kriegsdienstverweigerung. Doch nun hat die EU sich der Logik der amerikanischen Geopolitik unterworfen und ist bereit, an Amerikas Stelle Rußland zum Feind zu erklären und zu bekämpfen, auf daß die USA freie Hand im hybriden Krieg gegen China haben. Sie hat den Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Rußland in der Ukraine zu ihrem eigenen Krieg gemacht. Daß die europäischen NATO-Länder damit derzeit noch überfordert sind, heißt nicht, daß nicht alles dafür getan würde – auch auf Kosten der Bevölkerung und stabiler Finanzen – diese Fähigkeit zu erwerben. Der ideologische Kampf um die Köpfe hat spätestens 2014 begonnen und kann an Generationen währende eingeimpfte Russophobie anknüpfen – besonderes in Westeuropa, aber auch in Polen und im Baltikum.


Narrative wie die Utopien vom „Ewigen Frieden“ oder dem „Ende der Geschichte“ erweisen sich derzeit als Wunschdenken. Eine Friedensbewegung wie die anläßlich des Vietnam- und des Kalten Krieges in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts etabliert sich nicht oder wahrscheinlich nicht schnell genug für die Lage der Dinge. Einerseits weil die spontanen und die organisierten Multikrisen die Menschen geistig-mental mit Beschlag belegen, zum anderen, weil Schocktherapie, Digitalkultur und die omnipräsente ideologische Manipulation kritisches Denken blockieren. Offenbar ist die tragische Zyklizität von Frieden und Krieg nicht außer Kraft zu setzen. Daß der Transhumanismus etwas an diesem Mechanismus ändert ist fraglich, denn niemand garantiert uns, daß die Programmierer bzw. deren Auftraggeber sich von pazifistischen Überzeugungen leiten lassen. Die Entwicklung hybrider Kampfroboter ist wahrscheinlicher.


Die Kriegsmentalität erreichte ihren bisherigen Höhepunkt in Ursula von der Leyens Rede zur Lage der EU am 10. September 2025. Sie begann mit der Erklärung, dass „Europa sich im Kampf“ mit Russland befinde. Sie sagte, es sei ein Kampf für „Freiheit und Unabhängigkeit“, und sie verband die Sache der EU mit der Ukraine gegen Russland. „Europa muss kämpfen … denn die Freiheit der Ukraine ist die Freiheit Europas“, behauptete sie.


„Deshalb, meine Damen und Herren Abgeordnete, ist die zentrale Frage für uns heute ganz einfach. Hat Europa den Mut zu diesem Kampf? Haben wir die nötige Geschlossenheit, und spüren wir die Dringlichkeit? Den politischen Willen und das politische Geschick, Kompromisse zu finden? Oder wollen wir untereinander streiten? Und uns von der Spaltung lähmen lassen?“


Die Präsidentin der Europäischen Union schreckt auch nicht vor Lügen und Demagogie zurück, wenn sie behauptet: „Wir wissen, was die Preise in die Höhe getrieben hat: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland. Es ist also an der Zeit, diese schmutzigen russischen fossilen Brennstoffe loszuwerden. Und wir wissen, wie wir die Preise senken können: mit sauberer Energie aus heimischen Quellen.“ [We know what drove prices up: dependency on Russian fossil fuels. So it is time to get rid of dirty Russian fossil fuels. And we know, what brings prices down: clean homegrown energy.]. „Sauber und schmutzig” als neues „good and evil”.


Darum drängen Washington und Brüssel auf einen Waffenstillstand – de facto ein „Minsk 3.0“, um Zeit zu gewinnen, ihre Rüstungsproduktion hochzufahren und die ukrainische Armee wiederaufzubauen, wie schon nach den ersten Minsker Abkommen.


Die 27 Nationen umfassende Europäische Union hat vor kurzem einen Fünfjahresplan vorgestellt, um sich auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten. Die sogenannte „Roadmap zur europäischen Verteidigungsbereitschaft 2030” klingt wie ein Kriegsmanifest und eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die die EU auf einen katastrophalen Kollisionskurs mit Russland bringt.


Die EU wird zunehmend zu einem Klon des NATO-Militärbündnisses. Historisch gesehen stand die Europäische Union für Frieden durch nachbarschaftlichen Handel und Wirtschaft. Sie sollte aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs hervorgehen und sicherstellen, dass es auf dem Kontinent nie wieder zu einem Krieg kommen würde.


Was die Roadmap zur „Verteidigungsbereitschaft“ d. h. „Kriegsbereitschaft“ angeht, so ist die Zukunft bereits da, nicht erst in fünf Jahren. Die EU befindet sich derzeit auf einem katastrophalen Kollisionskurs mit Russland.


Wie die Vereinigten Staaten steht die Europäische Union seit Februar 2022 über ihr Stellvertreterregime in der Ukraine im Krieg mit Russland, aber bereits davor, seit dem Putsch in Kiew 2014, in unfreundlicher Beziehung und diplomatischer Verweigerung.


Im März nannte Ursula von der Leyen die Zahl von 800 Milliarden Euro, die die Union für „Verteidigung” ausgeben sollte. Im Jahr 2014 beliefen sich die gesamten Militärausgaben der EU auf weniger als 200 Milliarden Euro. Heute liegen sie bei 340 Milliarden Euro. Das ist eine Steigerung um 70 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts.


Mit ehrenwerten Ausnahmen – Viktor Orbán und Robert Fico haben die Militarisierung Europas kritisiert und fordern konsequent Diplomatie mit Moskau – schüren die meisten europäischen Regierungen die Kriegshysterie. Das Gleiche gilt für die europäischen Medien, ebenso wie für die amerikanischen Mainstream-Medien. Der europäische Block wird, zumindest auf offizieller Ebene, vollständig von der Propaganda der NATO und der Geheimdienste dominiert, die Russland als Feind darstellen. Die CIA und der britische MI6 ziehen zweifellos die Fäden, und Europa tanzt nach ihrer Pfeife.


Die Mainstream-Medien spielen ihre Rolle, indem sie Geheimdienstpropaganda verbreiten, um die Zustimmung der Öffentlichkeit zu erzeugen. Es ist offensichtlich, dass hinter verschlossenen Türen wichtige Entscheidungen getroffen wurden, um die EU in Richtung eines verstärkten Militarismus zu führen, bei dem die zivilen Volkswirtschaften in Kriegswirtschaften umgewandelt werden. Den europäischen Bürgern und Gesellschaften werden lebenswichtige Ressourcen entzogen, die vom Militarismus und von Unternehmensinvestoren aufgesogen werden. Selbst wenn es nicht zu einem totalen Krieg in Europa kommt, wird dieser mutwillige Militarismus zumindest die europäischen Nationen durch wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch zerstören.


Die amerikanische Fernsehsendung The Daily Pulse präsentierte am 2.10.25 ein klares Narrativ: Wirtschaftliche Not, moralische Konditionierung und geopolitische Frontbildung führen auf einen globalen Krieg zu. Während Politiker noch von „Friedensbemühungen“ sprechen, laufen hinter den Kulissen längst die Vorbereitungen auf eine Epoche der offenen Konfrontation – ökonomisch, psychologisch und militärisch. Wer jetzt noch glaube, Diplomatie könne den Zusammenbruch des globalen Systems aufhalten, übersehe, dass der Krieg längst vorbereitet werde – nicht auf den Schlachtfeldern, sondern in den Köpfen.


Der amerikanische Wirtschaftsforscher und -prognostiker Martin Armstrong warnt seit Jahren vor einem neuen Weltkrieg – einem Konflikt, der nicht plötzlich, sondern schrittweise vorbereitet werde. Während viele Menschen noch immer die wachsenden Spannungen und den massiven Anstieg der Rüstungsausgaben ignorieren, sprechen die Zeichen für eine systematische Mobilmachung westlicher Gesellschaften.


Während Regierungen und Medien jahrelang traditionelle Männlichkeit als „toxisch“ diffamierten, werde nun versucht, dieselben Männer durch moralischen Druck oder Patriotismus für einen Krieg zu gewinnen. Dieser plötzliche Sinneswandel – von der Dekonstruktion des maskulinen Selbstbildes hin zur moralischen Mobilmachung – deutet laut den Moderatoren auf eine bewusste Konditionierungsstrategie hin, die auf die „Pflicht zum Mitmachen“ zielt.


Besonders brisant war Armstrongs ökonomische Analyse: Die EU sei faktisch bankrott und habe „keine andere Wahl, als in den Krieg zu ziehen“. Historisch gesehen sei Krieg oft der „Reset-Knopf“ überschuldeter Systeme gewesen.Diese These knüpft an den wachsenden Druck an, die Gesellschaft auf „Notfälle“ vorzubereiten – von Cyberattacken, Blackouts über extreme Wetterereignisse bis hin zu militärischen Konflikten. The Daily Pulse deutet dies als Versuch, militärische Strukturen wieder in das zivile Leben zu integrieren.


Der serbische Präsident Aleksandar Vucic sagte am 26.9.2025 in einem Interview: „Wir wissen bereits, dass es Krieg geben wird, und das wird es auch, das sage ich Ihnen, denn ich sehe, was passiert und wie sich alle darauf vorbereiten. Niemand bereitet sich auf die Gespräche vor, sie schauen nur, wer auf wessen Seite stehen wird. Sie graben ihre Schützengräben und warten auf den Beginn“, sagte Vučić.


Laut Vučić befinden sich viele Länder bereits in stillen Gesprächen, um festzulegen, wer im kommenden Krieg auf welcher Seite stehen wird. Diese diplomatische Neuordnung deute auf eine Phase der strategischen Positionierung hin – vergleichbar mit den Monaten vor dem Ersten Weltkrieg, als Allianzen im Hintergrund geschmiedet wurden.


Mir liegt kein Beleg dafür vor, daß Vučićs Einschätzung  der Wirklichkeit entspricht. Er befindet sich im Streit mit der EU und Teilen der serbischen Bevölkerung, die keine rechte und autoritäre Regierung wollen. Daß Diplomatie von vornherein kein Thema war für die EU, sondern sofort zur Durchmilitarisierung der EU-Länder geschritten wurde, entspricht jedenfalls den Tatsachen. Aber selbst wenn das Kriegsgeschrei und die Militarisierung Europas lediglich der Abschreckung der Russen, der Einschüchterung, Disziplinierung und Verängstigung der eigenen Bevölkerung sowie der Gewinnsteigerung der Rüstungs- und Pharmaindustrie dienen sollte, bleibt als erstaunender Fakt zu konstatieren, daß Krieg wieder salonfähig geworden ist und seine Durchführung ohne Hemmungen ins Kalkül gezogen wird. Immerhin wurde der EU 2012 der Friedensnobelpreis verliehen. Der Paradigmenwechsel bleibt erklärungsbedürftig.


Ich sehe mehrere, sich ergänzende Aspekte:


Technologie


Sowohl die Natur des Krieges als auch der Nationalstaat selbst werden sich in den nächsten 20 Jahren radikal verändern. Und wie je, wird eine Haupttriebkraft die Technologie sein. Seit der Industrialisierung des Krieges verlaufen die Veränderungen rasend schnell.


Bislang war das Ziel von Angreifern, technologisch jedem potenziellen Gegner voraus zu sein. Aber die Chancen, dass es so einfach bleibt, sind gering. Das ganze Paradigma steht vor einer Umwälzung.

Das gilt aus mehreren Gründen: Die heutigen „High-Tech“-Waffen (F-35-Jäger, Abrams-Panzer, Flugzeugträger) sind bereits veraltet. Sie sind Albträume in Wartung und Bedienung. Neue Drohnen, Raketen und Torpedos sind sowohl überlegen als auch billiger. Biologische und Cyber-Waffen machen sie alle obsolet. Wenn sie ernsthaft eingesetzt werden, heißt es „Game Over“.


Gleichzeitig kann ein Schwarm billiger, bodennaher Raketen einen Träger samt 5000 Mann versenken – oder eine einzige Hyperschallrakete. Eine tragbare Rakete für    10 000 Dollar kann jedes Tiefflugzeug abschießen. Fire-and-Forget-Raketen verwandeln Panzer in teure Särge; billige Drohnen können überall Sprengsätze abwerfen. Kleine, präzise, massenhaft verfügbare Raketen sind das moderne Äquivalent von Colts Revolver, der den Kleinen dem Großen gleich – ja überlegen – machte. Mikrodrohnen in Bienengröße werden teure Infanteristen aufspüren. In absehbarer Zeit wird die Nanotechnologie praktisch einsetzbar. Bis dahin schreitet die Miniaturisierung fort. Mikrochips sind überall erhältlich und werden täglich billiger und leistungsfähiger. Die nächste Generation von Waffen wird einen winzigen Roboter hervorbringen, nur wenige Pfund schwer, nach dem Vorbild laufender oder fliegender Insekten – gefertigt aus handelsüblichen Elektronikkomponenten. Dazu kommen Terminator-artige Roboter und KI-gesteuerte Fahrzeuge. Eine 50-Milliarden-Dollar-Flotte kann durch ein paar Dutzend Raketen vernichtet werden; ein Bataillon Soldaten hätte gegen Tausende billiger Mikro-Drohnen keine Chance. So wie hundert Ameisen einen Skorpion überwältigen, werden kleine Maschinen die heutigen Militärgiganten nutzlos machen. Jedes Land könnte für einen Bruchteil der heutigen Kosten eine furchterregende Armee haben.


Kriegskunst


Ein moderner Krieg des 21. Jahrhunderts wird sich also von den tradierten Formen des Kampfes stark unterscheiden. Der Rußland-Ukraine-Krieg ist derzeit noch hybrid: Schlachtfelder, Granaten, Einkesselungen, Materialschlachten und Kämpfe von Mann gegen Mann und Panzer gegen Panzer: das sind anachronistische Formen. Mit dem Bedeutungsgewinn der Drohnen steht dieser Krieg schon mit einem Bein in der High-Tech-Welt. Das macht ihn reizvoll in seiner intellektuellen Herausforderung. Effizienz, Kunst, Spiel, Ästhetik, Eleganz sind schon immer Parameter für die Kriegsführung gewesen. Heute kommt die Vieldimensionalität der Kampfarten dazu: Wirtschafts-, Cyber-, Informations- und Technikkrieg sowie eine gain-of-function getriebene biologische Kriegsführung, einschließlich des Lostretens von Pandemien – alles gleichzeitig. Drohnen, KI und Nanorobotik revolutionieren das Kriegswesen. Neue Waffenerfindungen wollen ausprobiert werden, verändern das Spiel und seine Regeln – was für ein Spaß! Eine neue Technologie begünstigt den Willen zum Krieg. Er ist eine männliche Herausforderung. Wehe dem europäischen Mann, der kneift! Er wird sozial (-medial) geächtet werden.


Multikrisen


Kriegspraxis wird als Mittel zur Erhaltung des Status quo ante dargestellt. In Wirklichkeit dient sie in der derzeitigen Weltproblematik als geeignetes Mittel, um den gordischen Knoten der Multikrisen zu lösen, dem drohenden Kollaps des Fiatgeldsystems zu begegnen und eine neue Krise zu erzeugen, die alle anderen in den Schatten stellt, so daß man politische Maßnahmen ergreifen kann (Great Reset, digitale Identität, Abschaffung des Bargeldes, Bevölkerungsreduzierung), die in Friedenszeiten nicht durchsetzbar wären. Der Krieg ermöglicht dem Staat neue Steuern, neue Gesetze, neue Schulden, drakonische Kontrollen und neue Bürokratien. Diese „Reformen“ bleiben meist bestehen, nachdem der Krieg vorbei ist.


Jeder, der einen übergriffigen Staat in Friedenszeiten normalerweise anprangern würde, lernt schnell, im Krieg den Mund zu halten – aus Angst, als Sympathisant des stets dämonischen Feindes gelyncht zu werden.


Und natürlich geht es wieder einmal um Rohstoffe und preiswerte Energieproduktion.


Maskulinität / Feminismus / Zeitgeist


Diplomatie wird plötzlich negativ konnotiert, als sei sie nur etwas für „Weicheier“. Die Ironie dabei besteht darin, daß mit linken (deutschen) Männern heutzutage kein Krieg mehr zu machen ist. Viele Mitglieder und Anhänger der Grünen Partei sind eifrigste Kriegstreiber, aber schnell hinter’m Baum, wenn es ernst wird. Die Verhausschweinung der Männer im Zuge des antimaskulinistischen Furors hätte damit eine positive Seite. Wohlstandsverwahrlosung ist auch ein Aspekt des gegenwärtigen Zeitgeistes. Wie Goethe schon vor 200 Jahren formulierte: „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.“ Und bereits in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts ging dem Liedermacher Reinhard Mey auf, daß die einst typisch männliche Aggressivität und Rivalität in Friedenszeiten nicht verschwindet, sondern kompensiert wird: „Das ist die Schlacht am kalten Buffett. Da gilt der Mann noch als Mann. Und Auge um Auge, Aspik um Gelee – hier zeigt sich, wer kämpfen kann.“


Krieg kann heute im Westen auch als Ausdruck antifeministischer Aktion verstanden werden. Das Narrativ könnte folgendermaßen lauten: „So, Mädels: Ihr habt Euren Spaß gehabt – jetzt übernehmen wir wieder. Wokeness, Genderismus, Racial Profiling, Critical Whiteness, alte weiße Männer, toxische Männlichkeit, feministische Außenpolitik. Wo ein Mann hintritt, da wächst kein Gras mehr: Ihr habt den Bogen überspannt und uns lächerlich gemacht. Mit diesen Ideologemen muß jetzt Schluß sein. Wir, die herrschende Weltelite, haben sie gebraucht, um Euch einen Feind zu liefern, damit wir selbst aus der Schußlinie gelangen. Nun aber wird der Mann wieder gebraucht, und wir müssen ihn positiv konnotieren.“ Wir brauchen wieder Helden. Und wirkliche Helden entstehen nur im Kampf. Der „Held der Arbeit“, einst der Adel des Kommunismus, gilt nichts mehr.


Aussicht


Selbst wenn man annimmt, dass die NATO nicht wegen der Ukraine den Dritten Weltkrieg auslöst (unabhängig davon, wer im Recht ist oder wer ihn wirklich begonnen hat), stehen als Nächste die Chinesen auf dem Plan. Sie können die verbündeten westlichen Staaten nur als auf sie gerichtete Waffe wahrnehmen. Für sie ist die NATO eine Provokation zu einem kulturellen bzw. rassischen Krieg. Sie ermutigt sie, den Ausbau ihres Militärs zur höchsten Priorität zu machen.

Amerikaner haben sich daran gewöhnt, geopolitische Interessen der USA mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Seit 1945 gab es keinen Tag, an dem die USA nicht im Krieg gestanden hätte. Für Europäer hingegen ist Krieg ein rotes Tuch und Geopolitik Ausdruck imperialistischen Denkens gewesen.


Der US-Schwenk von militärischer Eindämmung zu globalem Wirtschaftskrieg zeigt, dass der Ukraine-Konflikt von Anfang an Teil einer viel größeren US-Strategie war – mit dem Ziel, Rivalen zu eliminieren und die eigene Vormachtstellung weltweit zu sichern.


Die kommenden Monate werden daher nicht nur für den Ukraine-Krieg, sondern auch für die künftige Weltordnung entscheidend sein – in einem globalen Konflikt, den die USA längst nicht nur gegen Russland, sondern gegen die gesamte multipolare Welt führen. Vielleicht werden wir dann auch wissen, ob good old Europe in einem großen Krieg der Rest gegeben wird.


Über die Autorin: Beate Broßmann, 1961 in Leipzig geboren, erfolgreiches Philosophie-Studium, vor der „Wende“ in der DDR Engagement für demokratische Reformen, später Mitglied der oppositionellen Vereinigung „Demokratischer Aufbruch“.



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