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Hans Günter Holl: EIN UMGEKEHRTER NEW DEAL

  • 11. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Der so genannte New Deal gilt als verzweifelt kreative Antwort der USA auf die Doppelkrise von Kapitalismus und Demokratie, die der große Crash von 1929 nicht nur intern, sondern weltweit ausgelöst hatte. Offenbar erinnerte die Notlage das Regime an eine alte Weisheit: Dass man in scheinbar ausweglosen Situationen die Richtung wechseln sollte, und so ging es das große Wagnis ein, bei der Gestaltung der unumgänglichen Reformen „Intellektuelle und Außenseiter“ eine entscheidende Rolle spielen zu lassen. Fast genau ein Jahrhundert später befindet sich zumindest der Westen erneut in einer Doppelkrise von Kapitalismus und Demokratie, die manche an „Weimarer Verhältnisse“ erinnert.



World peace is none of your business: Franklin D. Roosevelt 1942
World peace is none of your business: Franklin D. Roosevelt 1942

Geprägt ist sie durch extreme Staatsverschuldungen, mit den entsprechenden Gegenmaßnahmen (als Turboantrieb für die Steuer- und Zinsspirale), und durch eine tiefe ideologische Spaltung der Gesellschaften. Während die USA sich wiederum bemühen, ihre Probleme durch Mobilisierung von Intellektuellen und Außenseitern mit unkonventionellen Ideen zu lösen, hält die EU am Einschnürungsplan der „ever closer union“ fest und fördert so die Abschottung ihrer Apparatschiks, die sich wechselseitig in ihren Machtansprüchen bestätigen.


Die aktuelle, das gesamte Abendland im Sinne Spenglers lähmende Doppelkrise deckt letzten Endes vor allen Dingen auf, dass gerade der Eiserne Vorhang eine Normalität gesichert hatte, die mit dem Ostblock verschwand. Diese „Normalität“ prägte sowohl ökonomische als auch sozialpolitische Grundannahmen, denn sie war dem Umstand geschuldet, dass die Komintern als ineffizient und repressiv galt und „der Westen“ in allen Belangen seine Überlegenheit beweisen wollte. Durch den Einsturz und dann die zügige Überwindung der planwirtschaftlichen Zwangssysteme ging in erster Linie die Negativfolie verloren, was im Westen offenbar große Irritationen und Desorientierung zur Folge hatte. Dieser ziemlich verstörte, auf Dauer kaum erträgliche Zustand wurde aber dadurch wieder ins Positive gewendet, dass man ihn in eine Erweckung umdeutete und alle möglichen krassen Veränderungen als „woke“ propagierte.

 

In einem derart schrägen, verzerrten Kontext musste „alles Ständische und Stehende verdampfen“, „alles Heilige entweiht werden“, alles ehemals „Normale“ pervers erscheinen (was früher als Ausgeburt „der Bourgeoisie“ galt). Praktisch alle evolutionär gefestigten Konventionen der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Sprache, der Sexualität, der Individualität und der Nationalität wurden zerstückelt und durch schäbige Behelfe ersetzt. Selbstverständlich konnte daraus kein neuer Konsens, sondern nur Zwist, Armut und Krawall erwachsen.

 

Doch in Europa hat sich der Wahnsinn auf den höchsten Rängen festgesetzt. „Wohlfahrt“ siegt über Produktivität, „sedative Staatsverschuldung“ über rentable Investitionen, „Gelddrucken“ über Haushaltsdisziplin, „Klimaschutz“ über Energieplanung, „Vielfalt“ über innere Sicherheit, „Gender“ über Familie, „Glottisschläge“ über Rhetorik, „Identität“ über Moral und „Kriegsvorbereitungen“ über Diplomatie. Militärstrategen errechnen „für einen künftigen Krieg mit Russland“ tausend Verwundete pro Tag und sorgen sich nicht um die Opfer, sondern um die Betten… .

 

Im Wissen darum, wer die ebenso fanatische wie skrupellose EU-Spitze im Amt installiert hat, kann der Deutsche nicht umhin, einen inneren Zusammenhang zu erkennen zwischen personifizierter Bildungsferne, die eine ganze Kultur in nicht enden wollender Regentschaft endgültig in die Grütze reiten durfte, und jenen Orwellschen („Ozeanischen“) Institutionen, die der EU jetzt den Rest zu geben sich anschicken. Die „mächtigste Frau Europas“ dürfte damals schon für das hohe Politkombinat gesprochen haben, als sie sich indigniert über den Widerstand von Teilen der Bevölkerung gegen ihre ethnischen Umschichtungsprojekte äußerte. Sie war borniert, absolut selbstherrlich, machtpragmatisch und in diesem Sinne stets „lösungsorientiert“. Den Populationsumbau rechtfertigte sie patzig damit, dass dies sonst „nicht mehr ihr Land“ wäre. Gewiss hat sie deshalb vom Genossen Bertolt Brecht gerade das eine, erst postum veröffentlichte Gedicht goutiert und verinnerlicht, das den Titel „Die Lösung“ trägt und selbige in den bekannten Schlussversen praktisch beschreibt:


Wäre es da

Nicht doch einfacher, die Regierung

Löste das Volk auf und

Wählte ein anderes?

 

Wenn manche in diesem Vorschlag nur Ironie oder sogar Sarkasmus erkennen wollen, so wissen sie nichts von den Träumen jener Planer und Drahtzieher, die sich zur Überwindung der globalen Krisen der großen Transformation verschrieben haben. Sie dulden den Widerstand der ewiggestrigen Massen nicht, wären auch niemals bereit, mit sperrigen „Intellektuellen und Außenseitern“ anzubandeln, sondern betreiben die Umvolkung im großen Stil, um die Welt nach ihrem Geschmack zu fermentieren. Der neue New Deal ist kein Reformpaket, sondern ein Teufelspakt.

 

Interessanterweise verhärten sich heute in Europa die Verhältnisse noch, seit die USA ihrem Wokismus abgeschworen haben. Die Ähnlichkeiten mit dem früheren sozialistischen Experiment sind erschreckend, und erneut sieht es ganz nach einem Selbstmordprogramm aus. Man hält aus bloßem Trotz am offenkundig lethalen Dirigismus der „Energiewende“ fest und ruiniert damit die Wirtschaft und den Wohlstand. Man etabliert und befestigt Schritt für Schritt totalitäre Strukturen und rechtfertigt sie im Geiste des Sozialismus als „antifaschistischen“ Schutzwall. Man nimmt den verzweifelten Überlebenskampf Israels zum Anlass, sich antisemitisch respektive antizionistisch zu positionieren und unverblümt die Partei der Hamas und der „Palästinenser“ zu ergreifen. Obendrein schürt man nicht nur den Konflikt mit Russland, sondern eröffnet zudem noch eine weitere Front mit der eigentlich „befreundeten“ Großmacht USA, die sich schon einmal als fatal erwiesen hat. Das alles sind nicht nur Analogien. Es sind Parallelen.


 

Über den Autor: Hans Günter Holl, geb. 1949, ehemals Übersetzer (Whitehead, Bateson), heute Essayist und Rechtsanwalt.



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