Hans Günter Holl: RADIKALE ZWEIDEUTIGKEIT
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Die Erleuchtungen der Angela von Milmersdorf
Dem Wirken von Mutti Angela ist es zu verdanken, dass aus der einstigen Hochkultur ein „asylum“ wurde – und zwar ein hochgefährliches. Die Gefahren gehen von Störungen in den beiden wichtigsten Ressourcen einer jeden Gesellschaft aus, der Intelligenz und der Energie. Sie zersetzen die Wirtschaft, das Sozialkapital, den inneren Frieden und letztlich sogar die Zukunftsfähigkeit des Staates.

Doch wie kann es sein, dass trotz der gravierenden, stetig weiter wachsenden Probleme, die aus Muttis Wirken folgten, sie nach wie vor als Heilige verehrt wird, und dieser Kultus der Hauptgrund dafür ist, dass ein Umdenken nicht erfolgen kann?
Aus meiner Sicht resultiert die anhaltende, gleichsam hypnotische Lähmung der Politik, der Medien und der breiten Öffentlichkeit aus der Art und Weise, wie die beiden größten Umbrüche der jüngsten Vergangenheit ausgelöst wurden. In Kurzform möchte ich sagen: Mit der als Güte getarnten Infamie des Bösen. Die daraus erwachsene Irritation lässt bis heute den moralischen Kompass der Rationalität rotieren.
Einschnitt als Fürsorge
Bateson nannte ein Beispiel für derartige Reaktionen: Ein Hund lernt, zwischen Kreis und Ellipse zu unterscheiden. Dann werden beide Figuren einander stetig angenähert, bis sie gleich sind. Da der auf Unterschiede konditionierte Hund aber keine mehr erkennt, rettet er sich in verstörte Aggression oder Apathie.
In einer eher intuitiven Variante müssen es helldunkle Geistesblitze gewesen sein, die es Mutti ermöglichten, scharfe Einschnitte glaubhaft als Fürsorge auszugeben. Als im März 2011 ein gewaltiger Tsunami über Japan gewütet und verheerende Schäden angerichtet hatte, brauchte sie nur kurze Bedenkzeit, um den baldigen Atomausstieg anzukündigen, beginnend mit einem sofortigen „Moratorium“, um die Sicherheit aller deutschen KKWs zu überprüfen. So als hätte sich in Fukushima keine Naturkatastrophe ereignet, sondern ein echter Reaktorunfall. Entscheidend aber war die scheinheilige Begründung für diese politische Offerte an die Grünen: „Die Sicherheit der Bevölkerung ist oberstes Gebot!“
Wenn dieses Motiv wirklich eine Rolle gespielt hätte, wäre es zu den Ereignissen ab dem August 2015 niemals gekommen. Die Vorgänge werden oft kumulativ als „Grenzöffnung“ bezeichnet. Doch das trifft nicht den Punkt. Vielmehr handelte es sich um eine bewusst vor aller Weltöffentlichkeit inszenierte Einladung an wen auch immer, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen, um mit offenen Armen empfangen zu werden.
Die Lösung ist das Doppeldenk
Die Botschaft wurde in drei Varianten nach außen und nach innen gesandt. Sie enthielt – ganz im Geiste der Humanität – eine Absichtserklärung, nämlich durch Gleichschaltung von „Bund, Ländern und Kommunen“ alle Hindernisse zu überwinden, um das ominöse „das“ zu schaffen; eine ikonische, im berühmten Selfie online gestellte Bekräftigung der Einladung an die Verdammten dieser Erde; und eine Rechtfertigung, die alle Zweifler an der Bekömmlichkeit des „freundlichen Gesichts“ als Unmenschen brandmarkte, die im Grunde nichts in „meinem Land“ zu suchen hätten.
Die Verschmelzung von moralischem Absolutismus mit politischem Kalkül und einer bis zur Selbstaufgabe gehenden Opferbereitschaft erzeugte eine diffuse Atmosphäre, in der alle zuvor einmal geltenden Werte obsolet sind und rationale Kriterien nicht mehr gelten. Da beide, die Energiewende und die von „Hetzern“ so genannte Migrationskrise, bereits zu weit fortgeschritten sind, um noch wirksame Gegenmaßnahmen zuzulassen, gleicht das soziale Klima einem stickigen „Als ob“, in dem alle wissen oder zumindest ahnen, dass die Lage aussichtslos ist, aber so tun müssen, als gäbe es praktikable Lösungen.
Auf der Diskursebene ergibt sich daraus ein wirklich invasives Doppeldenk, das vor allen Dingen den Sinn des Begriffs „Lösung“ selbst zur Disposition stellt. Da Muttis Wohltaten dem Schutz der eigenen Bevölkerung und der Menschlichkeit dienten, können sie – trotz aller Kollateralschäden – nicht grundsätzlich falsch gewesen sein. Dank dieser Prämisse sind die bewährten Systeme der rationalen, kritischen Lagebeurteilung ausgefallen, und es kommt bei den existenziellen Fragen keine Rückbesinnung, kein Umdenken und keine Kurskorrektur mehr in Betracht, sondern nur noch das als gesichert destruktiv bekannte Mehr vom Gleichen.
Gegen die Wand
Starrsinn bedarf eines Schutzschirms, den das gegen Nörgler geschlossene Bündnis der Exekutive mit der Legislative, der Judikative und den geneigten Medien verlässlich bildet. Auf diese Weise ist es möglich, unter der hohlen Parole „Die Sicherheit der Bevölkerung ist oberstes Gebot!“ den Strom immer weiter zu verknappen, Einheimische reihenweise von Eindringlingen abschlachten zu lassen, die Empörung darüber als „Hass und Hetze“ zu kriminalisieren und gleichzeitig alles nur Erdenkliche zu tun, um den „werten Gästen“ auf Kosten der „schon länger hier Lebenden“ eine Vorzugsbehandlung zuteilwerden zu lassen.
Selbstverständlich gibt es objektive Gründe dafür, das alles so zu handhaben. Wenn ein Konsens besteht, zweideutige, in sich widersprüchliche Denkmodelle als eindeutig und logisch oder moralisch zwingend anzuerkennen, muss der politische Realitätsbezug als solcher im Zwielicht versinken. Letztlich geht es dann nicht mehr um Planung, sondern bloß noch darum, Löcher zu stopfen, Unruhen zu verhindern, Opposition auszuschalten und bei allen Erklärungen die Wand, gegen die man das Ganze damit fährt, als das Blaue vom Himmel zu verkaufen.
Über den Autor: Hans Günter Holl, geb. 1949, ehemals Übersetzer (Whitehead, Bateson), heute Essayist und Rechtsanwalt.
Beitragsbild von EU2017EE Estonian Presidency, CC BY 2.0 via Wikimedia Commons
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