Ralf Rosmiarek: DIE KIRCHEN UND DIE SCHWINDSUCHT. NOTIZEN ZU EINEM BEFALL
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Auszehrung. Die Kirchenkrankheit geht einher mit rapidem Gewichts- wie Bedeutungsverlust und hieß in früheren Tagen Schwindsucht – von griechisch phthíein, ‚schwinden', ‚hinschwinden'. Auszehrung bedeutet somit schlicht: lebensbedrohliche Abmagerung. Zwar ist da in Maßen noch Macht, denn der Glaube hat Macht ermöglicht und nur der Glaube vermag es, diese Macht zu erhalten. Der Glaube aber schrumpft und schrumpft. Den Krankheitsverlauf dokumentiert der Theologe Carl Schneider nüchtern: „Aus der Gemeinschaft der Liebe wurde die Kirchenzucht, aus dem allgemeinen Priestertum eine juristisch einwandfreie Amtshierarchie, aus dem göttlichen Herrn im Geist der gesetzlich geschützte Bischof. An die Stelle der Ekstatiker traten die Advokaten, und schließlich wurde auch das Verhältnis Gottes zum Menschen durch einen Rechtskodex geregelt“. Nach dem katholischen Kirchenrecht etwa sind die Gläubigen am Sonntag und an kirchlichen Feiertagen zur Teilnahme an der Eucharistie, also an der heiligen Kommunion, verpflichtet. Wer mochte angesichts solcher Verpflichtung noch Glaube, Liebe oder gar Trost spüren? Die christlichen Grundbekenntnisse, Gnade Gottes, Präsenz Gottes und die Umkehr zu Gott, spielen kaum noch eine Rolle. Der Glaube schwindet und schwindet.

Papst Franziskus mahnte deshalb, ohne den sonntäglichen Kirchgang seien die Gläubigen „dazu verdammt, von der Müdigkeit des Alltags beherrscht zu werden“. Müdigkeit und Resignation. Überall fehlt es an der essentiellen Substanz, dem Salz (Matthäus 5, 13). Die Herde der Gläubigen versteht plötzlich auch die Kirchensprache nicht mehr, seit die „Progressiven“ die Kirchen gekapert haben. Denen scheint eine Adaption an die Bedürfnisse des Tages angemessen, denn nur derart läßt Kirche sich „im Gespräch“ halten. Die gefährlichen Keime der Schwindsucht überträgt der Klerus auf das Glaubensvolk, die Schafe wittern die tödliche Gefahr und setzen zur Flucht an. Den Passauer Bischof Stefan Oster plagt wohl nicht zu Unrecht die Vision von einem „Gott ohne Volk“, scheint sie doch immer mehr zur Wirklichkeit zu werden. Osters ernüchterndes Urteil: „Die Entfremdung der jungen Generation nimmt zu, die Älteren sterben weg. Keiner braucht noch die Kirche.“ Freilich, von welchem Christentum, von welcher Kirche ist überhaupt noch die Rede? Vielleicht ist der Rückzug ins heimische Kämmerchen angemessen, um noch etwas vom Gefühl des Numinosen zu retten und läßt der Evangelist Matthäus (6,6) seinen Jesus nicht ohnehin sagen: „Wenn du aber betest, so gehe in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu …“?
Wir müssen ganz neu denken
Im 19. Jahrhundert begann der intellektuelle Rundumschlag gegen den Kirchenglauben. Das säkulare Bewußtsein wollte das religiöse Denken als bestenfalls spekulativ und rational nicht begründbar ansehen. Immanuel Kant verwies auf die Unmöglichkeit von Gottesbeweisen. Ludwig Feuerbach interpretierte Gott als Projektion des Menschen. Max Stirner sah den Menschen als seinen eigenen Gott. Friedrich Wilhelm Nietzsche verkündete schließlich gar den Tod Gottes. Fortan wird der Genius saeculi, der Zeitgeist, für die Kirche zum Überlebensträger, todernst wird „Fortschritt“ gepredigt und suggeriert. So konnte der Freiburger Weihbischof Wilhelm Burger 1933 forsch bekennen: „Die Ziele der Reichsregierung sind schon längst die Ziele unserer katholischen Kirche“. Sein Oberhirte, Erzbischof Conrad Gröber, zudem Förderndes Mitglied der SS, betonte, er stelle sich „restlos hinter die Reichsregierung und das neue Reich“. Dem Zeitgeist entziehen wollten sich auch die Protestanten nicht und so bekannten die Bevollmächtigten des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses, Hermann Kapler, August Marahrenz sowie Hermann Albert Hesse, bei einer Kundgebung am 25. April 1933: „Zu dieser Wende der Geschichte sprechen wir ein dankbares Ja. Gott hat sie uns geschenkt. Ihm sei die Ehre!“ Sodann erkannte Reichsbischof Ludwig Müller für die Deutsche Evangelische Kirche, es gehe nur „hinaus in eine Kirche mit einer neuen Theologie“, dorthin galt es „die suchenden deutschen Menschen hineinzuführen!“
Nachdrücklich warnte er: „Ich werde diejenigen, die sich nicht einordnen wollen, an die Kandare nehmen müssen! Ich werde mit der Faust auf den Tisch schlagen!“ Aua! Protestantische Feindesliebe eben! Beifällig heißt es in einem Bericht der Geheimen Staatspolizei, „in der Weimarer Republik habe die Kirche ‚Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit‘ herausgestellt, ‚jetzt redet man dafür von Volkstum, Führertum, Blut und Boden‘“ (Guenter Lewy). Der Reichsbischof jedenfalls stellte klar: „Wir dürften dabei auch nicht haltmachen vor festen Begriffen und Denkbahnen. Wir müssen ganz neu denken und auch formulieren!“ Das neue Denken zeitigte alsbald Millionen Tote, verstümmelt, ermordet, vergast, zerfetzt, verhungert – es ging nun einmal nie unpolitisch. Mehrfach dann tiefes Luftholen, das deutsche Glaubensvolk, immerhin noch 96 Prozent im Jahre 1951, galt es zu beruhigen. Über Nacht war der Klerus gewendet, verspürte die Anhauchung des Heiligen Geistes: „Wir verwerfen die falsche Lehre“ und man wollte wie immer – „Nie wieder!“ – „noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen“. Auch Friede zu rufen, vergaß man nicht, vergaß dabei gleichermaßen nicht zu betonen: „Selbst Atombomben können in den Dienst der Nächstenliebe treten“, schmetterte der Theologieprofessor Walter Künneth 1958. „Die Anwendung des atomaren Krieges ist nicht absolut unsittlich“, so dann auch der Jesuit, Professor der päpstlichen Gregoriana, Gustav Gundlach im Februar 1959.
Der Zukunft zugewandt
Der Zukunft blieb man unterdessen selbstverständlich zugewandt. Nur die Schwindsucht wollte sich nicht recht aufhalten lassen. Seit 1970 verlassen auf evangelischer Seite 100.000 Mitglieder die Kirche, ab 1991 wird diese Zahl auch auf katholischer Seite (außer 2005-2007) erreicht. Auf 46,5 Millionen Mitglieder blickten beide Kirchen nur noch im Jahre 2014, das waren 57,4 Prozent der Gesamtbevölkerung, 2016 waren es dann lediglich noch 53 Prozent. Das evangelische Sonntagslächeln verschob sich hin zum schiefen, schmerzverzerrten Grinsen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit 20 deutschen Landeskirchen als Mitgliedern, ersann sich im Jahre 2017 einen Arzt und nannte ihn „Zukunftsteam“. Der Theologieprofessor Günter Thomas sah in der Besetzung des Teams die Wichtigkeit der Heilbehandlung unterstrichen: „Die Besetzung ist hochkarätig und repräsentativ: Sechs Bischöfe beziehungsweise Präsides sind Mitglieder, acht Landeskirchen direkt vertreten, der Ratsvorsitzende der EKD, die Präses der Synode der EKD und ein Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD sind mit dabei“ und fügte hinzu: „Ich vermag mich nicht an eine kirchenleitend so hoch besetzte Kommission zu erinnern.“ Der 2020 vorgelegte Behandlungsplan enthält „Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche“. Es mag als pure Ironie erscheinen, daß die Wirklichkeit in Form des politischen Corona-Diktats, dem Gläubigen und manch Folkloreinteressierten (Touristen) dann doch eine „[ver]schlossene Kirche“ bescherte. Aber auch die Leitsätze sollten dem Patienten Kirche nicht helfen. Denn, sagt Theologe Thomas: „Es ist ganz deutlich: Die 11 Leitsätze erwarten von der Kirche als Gemeinde keine Impulse für die Zukunft. Weder von ihrem Pfarrpersonal, noch von ihrer Sozialform. Die Leitsätze der EKD setzen auf eine irgendwie dynamisch gedachte NGO-Bewegungskirche, die irgendwie spontan an vielen neuen Orten präsent ist.“ Nachdrücklich betont er: „Die Kirche hat nichts zu bieten, das nicht auch irgendwelche anderen sozialmoralischen und politischen Akteure zu bieten haben.“ Seit Jahrzehnten sind die gleichen Phrasen vernehmbar: „Menschenwürde und Menschenrechte, für Freiheit und Gerechtigkeit, für Frieden und Bewahrung der Schöpfung“. „Es ist das Heil uns kommen her“, sang man einst getrost, das hat die Kirche indes vergessen, „die Werk, die helfen nimmermehr, sie mögen nicht behüten“. Hier liegt wohl auch des Pudels Kern. Die Auszehrung schreitet rasant voran. Vier Jahre nach Veröffentlichung der zukunftsweisenden „11 Leitsätze“ sind den evangelischen Kirchen 18 Millionen Christen oder wenigstens Mitglieder verblieben.
NGO-Bewegungskirche
Auch die römisch-katholische Kirche in Deutschland bekommt die Schwindsucht nicht in den Griff, knappe 19,8 Millionen Mitglieder verzeichnet sie noch im Jahre 2024. Auch die römische Kirche zeigt sich der Zukunft zugewandt und fand in Papst Franziskus ein Oberhaupt, der zum Propagandisten der „neuen Weltordnung“ geworden ist. Die katholische Kirche wandle sich unter Papst Franziskus in eine „philanthropische Agentur“, wird eine „Kirche von Menschlichkeit, Inklusion, Umwelt“, betont der Papstkritiker Erzbischof Carlo Maria Viganó und er betont unmißverständlich: „Kein Katholik, der seines Namens würdig ist, kann mit dieser ‚bergoglianischen Kirche‘ in Gemeinschaft sein, denn sie handelt in klarem Widerspruch und Bruch mit allen Päpsten der Geschichte und mit der Kirche Christi.“ Die Gläubigen haben als „Teil der Gesellschaft die Covid-Propaganda des Regimes mit dem erschwerenden Umstand erlitten, dass das Delirium der weltlichen Behörden von der kirchlichen Autorität ratifiziert und unterstützt wurde, was die Katholiken dazu gebracht hat, den Lockdowns, dem Maskentragen und der Verabreichung einer moralisch inakzeptablen experimentellen Gentherapie unkritisch zu gehorchen. Die Verantwortung für die Akzeptanz der Psychopandemie und der Impfkampagne liegt also fast ausschließlich bei den Hirten und insbesondere bei Bergoglio, der aus seiner bedingungslosen Unterstützung der Neuen Weltordnung, des WEF und der globalistischen Ideologie keinen Hehl macht“, äußert der vom Papst exkommunizierte Erzbischof Viganó. Überhaupt werde in der katholischen Kirche „sehr wenig über die wesentlichen Themen des Glaubens, d.h. die Menschwerdung, das Heil, die Erlösung, die Rechtfertigung, die Sünde, die Gnade, die menschliche Natur, das letzte Ziel des Menschen, die trinitarische und eucharistische Dimension der Kirche, die Berufungen, die Bildung. Das sind die wirklichen Herausforderungen, ebenso wie die Ausbreitung von großer Gewalt, von denen, die sie im Namen Gottes rechtfertigen, wie die muslimischen Fundamentalisten. Davon nichts, stattdessen so viele Reden über Homosexualität, und alle einseitig“, unterstrich Kardinal Gerhard Müller im Rückblick auf die Ende Oktober 2023 beendete Weltsynode.
Verteidigung des katholischen Glaubens bis zum Blutvergießen
So mag es mancher nicht unwidersprochen hinnehmen, daß nur „sehr wenig über die wesentlichen Themen des Glaubens“ in der Kirche geredet wird. Die Katholikin Gloria von Thurn und Taxis fordert „endlich wieder eine Kirche, in der Jesus Christus gepredigt und nicht Greta und Co gehuldigt wird“. 2019 forderte der Paderborner Priesterkreis „Communio veritatis“ den damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zum Rücktritt auf, denn er opfere die „Sakramente der Kirche … beliebig auf dem Altar des Zeitgeistes“. Marx benutze den Glauben „in verfälschter Verweltlichung zur Verbreitung der linksliberalen politischen Ideologie des Mainstreams“. Unmißverständlich stellen die Priester heraus, die Kardinalsfarbe Rot, gäbe keinen Hinweis auf die Flagge des Neo-Marxismus, „sondern die Verteidigung des katholischen Glaubens bis zum Blutvergießen“. Zur diesjährigen Osterzeit wollte es die CDU-Politikerin Julia Klöckner nicht hinnehmen, daß nur „sehr wenig über die wesentlichen Themen des Glaubens“ gesprochen wird und die lebensbedrohende Auszehrung der Kirche ungebremst voranschreite. Im Interview mit der BILD-Zeitung wird sie für sich feststellen: „Für mich spielt der Glaube eine wichtige und Halt gebende Rolle“. Der einstige Hort solchen Glaubens aber, die Kirchen, rutschen derweil munter in die Beliebigkeit. Klöckner betont: „Wenn Kirche manchmal zu beliebig wird, oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt wie eine NGO und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick hat, dann wird sie leider auch austauschbar.“ Denn sie weiß: „Es gibt auch Ersatzreligionen“. Freilich: „Wenn man eine lächerliche Religion abschafft“, so höhnte schon Preußenkönig Friedrich der Große, „dann tritt etwas noch Unsinnigeres an ihre Stelle.“
Der Wokismus nun könnte das „noch Unsinnigere“ sein, samt seiner Trinität: Klima, Gesundheit, Gender. Die Gesundheit ließe sich dann noch gegen die Migration austauschen, da wird man nicht kleinlich werden wollen. Christoph Hein benennt seinen neuen Roman „Das Narrenschiff“ und blickt dabei auf die Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik. Mir scheint, „Das Narrenschiff“ ist eine ebenfalls treffliche Benennung beider Kirchen. So ruft es dieser Tage vom 39. Evangelischen Kirchentag: „queere Tiere auf der Arche“; „Wie geht feministische Erziehung?“; „Kritisches Weißsein“. Das Motto des Kirchentages, den Bibelversen des ersten Korintherbriefes entnommen, wird in einfache Sprache transformiert: „mutig – stark – beherzt“. Zeitgeistlich entsorgt wurden „Glaube“ und „Liebe“. Kleinlich wird man jedoch, wenn sich das bockige Nachdenken auf „die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod“ einstellt. Ein solches Fragen genügt in diesen Tagen, um einen Scheißesturm loszutreten. Der Hinweis, die Kirche erscheine als eine NGO wird sogleich barsch zurückgewiesen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Oberhirte Georg Bätzing, wird in der Tagesschau poltern und irrlichtern: „Das Evangelium ist politisch. Wir können gar nicht anders, als uns in die Debatte einzumischen.“ Einmal mehr zeigt sich, die Kirchenobrigkeit redet ungeniert der Politik das Wort, schmeißt sich hemmungslos den zeitgeistig agierenden Machthabern an den Hals. Ausgrenzung und Diskriminierung werden bewußt in Kauf genommen, anstatt die „Mühselig und Beladenen“ aller Couleur in Schutz zu nehmen. „Das Evangelium ist politisch“ – wo findet sich für diese Irrlehre eine Bestätigung? Hielt Jesus den Römern eine politische Predigt? Machte er nicht eindrücklich deutlich: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ (Matthäus 10,5).
Erwarteten die ältesten Christen tatsächlich eine politische Kirche mit Papst und Bischöfen? Erwarteten sie eine tausendjährige Kirchengeschichte mit Religionskriegen und Scheiterhaufen, mit Juden-, Heiden-, Ketzer-, Hexenverfolgungen? War es nicht Jesus, der seinen Jüngern zurief, sie würden „den Tod nicht schmecken, bis daß sie sehen das Reich Gottes kommen mit Kraft“ (Mk. 9,1)? Auch daß sie mit der Mission Israels nicht zu Ende kämen, „bis der Menschensohn kommt“ (Matth. 10,23)? „Das nahe Weltende“, schrieb der Philosoph Eduard von Hartmann, „war der eigentliche und einzige Inhalt des Evangeliums, welcher allein ihm den Charakter der frohen Botschaft verlieh; es war das Fundamentaldogma des Urchristentums“. Diese Frohe Botschaft wurde freilich ausschließlich von Mund zu Mund propagiert, nichts Schriftliches, das folgte erst mit erheblicher Verspätung und allerlei Widersprüchlichem. Liegt hier nicht der Stoff des Nachdenkens der Kirche? Und wäre nicht endlich dem Theologen David Friedrich Strauß zu antworten, der bekannte: „Es fällt mir nicht ein, zu bestreiten, daß Jesus ein vorzüglicher Mensch gewesen; was ich behaupte ist nur dies: Nicht um dessen willen, was er nicht war, sondern um des Wahren willen, das er lehrte, sondern um einer Vorhersage willen, die nicht eingetroffen, also nicht wahr gewesen ist, hat man ihn zum Mittelpunkt einer Kirche, eines Kultus gemacht. Nachdem wir erkannt haben, daß er es nicht gewesen, daß das nicht wahr ist, um dessen willen man ihn dazu gemacht hat, ist für uns der Grund und, sofern wir wahrhaftig sein wollen, auch das Recht hinweggefallen, einer solchen Kirche anzugehören“.
Das oberhirtliche Schweigen bleibt beredt, viel leichter fällt da das zeitgeistige Mitlaufen – „Das Evangelium ist politisch“: „Wir müssen ‚kriegstauglich‘ werden und uns zugleich ‚friedenstüchtig‘ für einen gerechten Frieden einsetzen“, salbadert Schäfchenführer Franz-Josef Overbeck. „Friedenstüchtigkeit“ und „Kriegstauglichkeit“ seien kein Widerspruch, fügt er hinzu, das Lied der Catholica seit tausenden Jahren. Wenige Titel noch des Liederbuches – durchaus auch mit Imprimatur versehen: Der Held in Wunden; Unser Krieg. Ethische Betrachtungen; Das religiös-sittliche Bewußtsein im Weltkriege; Der Weltkrieg im Lichte der deutsch-protestantischen Kriegspredigt; Kampf und Sieg. Karfreitags- und Ostergedanken als Gruß aus der Heimat für Heer und Marine; Seelsorge als Kriegsdienst; Priester im Heere Hitlers; An die Gewehre!; Getreu bis in den Tod; Selig die Toten; Maria rettet das Abendland. Fatima und die ‚Siegerin in allen Schlachten Gottes‘ in der Entscheidung um Rußland. Aber schon Kirchenvater Theodoret wußte schließlich: „Die geschichtlichen Tatsachen lehren, daß uns der Krieg größeren Nutzen bringt als der Friede.“ Der große „Widerstandskämpfer“, die „Lichtgestalt“, der begeisterte Unterstützer des Ersten wie Zweiten Weltkrieges, Michael von Faulhaber, jubiliert sodann: „Wenn die Welt aus 1000 Wunden blutet und die Sprachen der Völker verwirrt sind wie in Babylon, dann schlägt die Stunde der katholischen Kirche!“ Für den, der in solches Jubilieren nicht einstimmen mag, ist „der Grund und, sofern wir wahrhaftig sein wollen, auch das Recht hinweggefallen, einer solchen Kirche anzugehören“! Möge die Schwindsucht walten – requiescat in pace!
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